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Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman

Titel: Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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und suchte nach dem richtigen Wort. »Ein … ein verdammter …«
    »Schon gut«, sagte meine Mutter. »Wie sehe ich aus?«
    »Nicht übel«, sagte ich widerwillig.
    »Wie ein Strich in der Landschaft, würde ich sagen«, sagte jemand hinter uns. Es war nicht Pfarrer Hoffmanns Stimme, wie ich erwartet hatte, sondern die rauchige Stimme von Tante Patti. Offenbar handelte es sich um einen ihrer unangekündigten Besuche, die exakt genauso lange dauerten wie das Fußballtraining ihres Sohnes. »Der Schlüssel steckte draußen. Eine leichtsinnige Angewohnheit. Ich hätte ein Einbrecher sein können.«
    Meine Mutter zog eine Grimasse, aus der deutlich zu erkennen war, dass ihr ein Einbrecher lieber gewesen wäre als Tante Patti.
    »Hallo, Patti«, sagte sie dennoch höflich. »Ist Philipp nicht mitgekommen?«
    »Er ist beim Training«, erwiderte Tante Patti erwartungsgemäß. »Ich bleibe nur auf eine Tasse Kaffee. Wirklich, das muss der Neid dir lassen, liebe Schwägerin, du hast es endlich mal geschafft, eine Diät durchzuhalten. Robert wäre sicher stolz auf dich.«
    »Robert mochte mich mollig genauso gern«, sagte meine Mutter.
    Ich feixte, als ich ihren gehetzten Blick zur Uhr bemerkte. »Mama bekommt gleich Besuch, Tante Patti. Ich glaube, du kommst ungelegen.«
    »Ach, wer kommt denn, Amelie?« Tante Patti holte ihr elegantes Zigarettenetui mit Monogramm aus der Tasche.
    »Sagt dir der Begriff Hausfreund etwas?«, fragte ich.
    »Jemand, den ich kenne?«
    »Nur der Pfarrer«, sagte Mama spröde. »Aber du kannst gerne einen Kaffee mit uns trinken, liebe Patti.«
    »Sehr nett, danke.« Tante Patti ließ sich auf einen Sessel fallen und schlug ihre Beine übereinander. »Ich weiß ja, dass ich mich da nicht einmischen sollte, aber warst du in letzter Zeit mal auf Roberts Grab? Es sieht grauenhaft aus.«
    »Ich weiß. Irgendjemand hat einen dieser scheußlichen Kränze dort abgelegt, die wohl Adventsstimmung verbreiten sollen, es aber nicht tun«, sagte meine Mutter spitz.
    Tante Patti klappte beleidigt ihr Zigarettenetui auf.
    »Wenn du rauchen willst, dann bitte auf der Terrasse«, sagte meine Mutter. »Du weißt genau, wie ich den Qualm hasse.« Die Autorität in ihrer Stimme ließ mich neue Hoffnung schöpfen. Da war keine Spur von Apathie mehr zu spüren.
    »Schon gut.« Tante Patti erhob sich seufzend. »Manche Dinge ändern sich wohl nie.«
    Sie war kaum draußen auf der Terrasse, als Pfarrer Hoffmann eintrat, ganz als wäre dies sein Haus. Er hatte es nicht mal für nötig befunden, zu klopfen!
    Ich sah meine Mutter lächeln und bedachte ihn daher mit besonders finsteren Blicken. Er übersah mich einfach, wie immer.
    »Amelie, meine Liebe.« Aaaargh! Wie ich seine Samtstimme verabscheute!
    »Na, sieh mal einer an, da hat ja jemand einen ganzen Blumenladen leergekauft«, sagte ich und zeigte auf die einzelne weiße Rose in Pfarrer Hoffmanns Hand.
    »Diese weiße Rose ist ein Symbol«, sagte er, während er sie meiner Mutter überreichte.
    »Ein Symbol für einen richtigen Blumenstrauß?«, höhnte ich.
    »Ein Symbol für einen Schwan «, sagte Pfarrer Hoffmann.
    »Eine Rose ist doch kein Symbol für einen Schwan«, sagte ich. »Eine Feder vielleicht, aber niemals eine Rose!«
    »Das verstehst du nicht, Louisa«, sagte meine Mutter. »Benedikt spielt auf das Hotel an, in dem wir letzten Samstag verabredet waren. Der Schwanenhof .« Sie lächelte den Scheißkerl wieder an und hob die Rosenknospe an ihr Gesicht. »Schade, sie duftet gar nicht.«
    »Das war unverzeihlich von mir«, sagte Pfarrer Hoffmann. Mir hatte es vorübergehend die Sprache verschlagen. Seit wann gab Mama denn offen zu, dass sie was mit dem Kerl laufen hatte?
    »So schlimm war es auch schon wieder nicht«, sagte sie. »Das Essen war vorzüglich, der Service zuvorkommend, und die anderen Gäste waren recht nett. Der Herr vom Nebentisch schien fest entschlossen, dich würdig zu vertreten. Je mehr er von dem guten Chablis intus hatte, desto aufdringlicher wurde er. Ich hatte große Mühe, ihn davon zu überzeugen, doch besser in seinem eigenen Zimmer zu übernachten.«
    »Du Ärmste«, sagte Pfarrer Hoffmann weich. »Dass Frauen ohne männliche Begleitung immer gleich als Freiwild gelten! Es muss schrecklich gewesen sein. Jemanden in deiner labilen Verfassung hätte ich auf keinen Fall dieser Meute aussetzen dürfen.« Er griff nach ihrer Hand. »Mein Lämmchen unter Hyänen! Meine zarte Rose so ganz verloren ohne ihren starken Benedikt, der sein

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