Ehebrecher und andere Unschuldslaemmer - Roman
Schneekristalle auf der Windschutzscheibe.
»Guck mal, es schneit«, sagte ich entzückt. »Weiße Weihnachten!«
»Guck mal, da steht ein Auto mit Berliner Kennzeichen«, sagte Gilbert weniger entzückt.
Ich erstarrte. Das rote Golf-Cabrio kam mir sehr vertraut vor.
»Es gehört meinem Exfreund«, sagte ich. »Er versucht tatsächlich mit allen Mitteln, seinen Eltern das Enkelkind zu sichern. Du hast meine Erlaubnis, ihm die Nase zu brechen und ihn bis nach Berlin zurückzujagen!«
»Ich weiß nicht.« Gilbert hielt mir seine Hände hin. »Sehen diese Hände aus, als könnten sie auch nur einer Fliege etwas zu Leide tun? Ich bin außerdem dein Gärtner, nicht dein Leibwächter.«
»Dann tu ich’s selber«, sagte ich und wollte aussteigen.
»Hey, hey, ganz ruhig«, Gilbert hielt mich am Arm zurück. »Im Interesse deines Kindes solltest du ihn ein bisschen freundlicher behandeln. Er ist extra die weite Strecke aus Berlin gekommen, um dich zu sehen. Und es ist Weihnachten …«
»Na ja«, sagte ich verlegen.
»So ist es schon besser.« Gilbert gab mir einen freundschaftlichen Klaps. »Es reicht völlig, wenn du ihn morgen früh zurück nach Berlin jagst.«
Carola
M
it fliegenden Händen öffnete Carola den Schwangerschaftstest. Sie war genau einen Tag über die Zeit, ein bisschen verfrüht, um sich Hoffnungen zu machen. Trotzdem hatte sie bei Heidemarie eine ganze Batterie von Schwangerschaftstests erstanden.
» Viagra scheint ja gewirkt zu haben«, hatte Heidemarie gesagt und gegrinst. »Mit den Schwangerschaftstests ist es aber wie mit Viagra – einer reicht völlig!«
»Ich weiß, aber ich möchte gern einen Vorrat im Haus haben«, hatte Carola erwidert. »Ich gebe zu, ich bin süchtig nach den Dingern.«
»Also gut. Ich gebe dir von jeder Sorte ein paar. Aber nimm nicht mehr als einen in der Woche.« Heidemarie hatte mahnend ihren Zeigefinger erhoben, und sie waren beide in Gelächter ausgebrochen.
Carola glaubte nicht wirklich, dass dieser Test positiv sein konnte. Sie hatte elf Jahre lang darauf gewartet, schwanger zu werden, und es war recht unwahrscheinlich, dass es gleich beim allerersten Mal klappen würde. Nein, da war sie realistisch: Sie würde Pfarrer Hoffmanns »therapeutische Maßnahmen« wohl noch ein paarmal in Anspruch nehmen müssen. Und Heidemaries Viagra -Vorrat natürlich. Es war unbezahlbar, eine Freundin mit einer Apotheke zu besitzen.
Martin klopfte an die Badezimmertür.
»Wir müssen reden, Carola«, sagte er.
»Nicht jetzt! Ich bin auf dem Klo .«
»Du bist da schon eine halbe Stunde drin«, sagte Martin. »Wir müssen unbedingt miteinander reden. Irmis Bruder hat doch tatsächlich …«
»Martin«, unterbrach ihn Carola gereizt. » Jetzt nicht!« Sie schob das Teströhrchen ineinander, so wie es auf der Packungsbeilage beschrieben war.
»Es ist wirklich dringend«, sagte Martin.
»Bei mir auch«, keifte Carola. »Jetzt hau schon ab!«
Martins Schritte entfernten sich, nur um gleich darauf wieder zurückzukehren. »Du bekommst Besuch! Soll ich Pfarrer Hoffmann sagen, dass du auf dem Klo sitzt?«
»Hüte dich!« Carola schob den Schwangerschaftstest samt Verpackung in den Abfalleimer. Es war ohnehinverfrüht, sich Hoffnungen zu machen. Die Chancen, schwanger zu sein, standen wahrscheinlich schlechter als die, im Lotto zu gewinnen.
Pfarrer Hoffmann wartete mit Martin in der Küche. »Habe ich Sie etwa aus der Wanne geholt?«, fragte er.
Carola schüttelte den Kopf. Automatisch wanderten ihre Augen von seiner imposanten Gestalt zum Küchentisch hinüber. Die Erinnerung jagte ihr nicht unbedingt Lustschauder über den Rücken, im Gegenteil. Das nächste Mal würde sie für etwas mehr Komfort sorgen.
Martin war ihrem Blick gefolgt. »Ich bin dann wieder oben«, sagte er mit undurchdringlicher Miene. »Nett, Sie noch mal gesehen zu haben, Pfarrer Hoffmann.«
»Gleichfalls«, sagte Hoffmann.
Carola wartete ungeduldig, bis Martin die Treppe hinaufgegangen war, und sagte dann leise: »Ich hätte eigentlich früher mit dir gerechnet. Nach letzten Samstag hatte ich gehofft, dass wir noch einmal … darüber reden.«
»Deshalb bin ich hier«, sagte Hoffmann ernst.
»Ja, aber die ganzen Tage hast du dich nicht ein einziges Mal gemeldet. Beim Gottesdienst an Heiligabend hatte ich sogar das Gefühl, dass du mir absichtlich aus dem Weg gehst.«
»Das stimmt aber so nicht«, sagte Hoffmann. »Allerdings bin ich in der Zwischenzeit zu der Überzeugung gelangt, dass … dass
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