Ehemänner
Nichts in ihren Augen, der Haltung ihrer Schultern ließ auf Unannehmlichkeiten schließen. Dieser ihr Ehemann war für sie im Laufe der Zeit eine Art Vetter geworden, mit dem sie ohne weitere Anzeichen von Herzlichkeit zusammenlebte, als man zu der Zeit vor den Augen der anderen zeigte, und sie küsste ihn verhalten, wenn sie in der kurzen Dunkelheit der einen oder anderen Nacht die eheliche Pflicht erfüllten.
»Wer ist dieser Kasper?«, wollte Felipe wissen mit Blick auf den Kleinen, der mit seinem Ältesten spielte und mit ihm nach knapp einem Nachmittag wie selbstverständlich das Zimmer und die Mutter teilte.
»Das weißt du selbst am besten«, sagte Paz und schaukelte seelenruhig weiter.
»Dann wollen wir kein Wort darüber verlieren«, sagte Felipe.
Und es kam nie mehr zur Sprache.
Es herrschten andere Zeiten damals. Und wiewohl uns all das unvorstellbar erscheinen mag, ist auch wahr, dass der Ton jenes Schweigens einen lächelnden und friedlichen Mann heranreifen ließ, ähnlich der Mutter, die ihn an einem Tag zu dem ihren machte.
Die Freiheit kommt vom Licht, das in sich trägt, wer bereits mit ihm geboren wird. Das war bei Paz der Fall und war der Fall bei ihren sieben Söhnen. Am Ende war Felipe, ihr Mann, der einzige Gefangene unter ihnen, doch zu seinem Unglück kam auch das nie mehr zur Sprache.
Um ein Haar
An dem Abend beschlich Natalia plötzlich das Gefühl, ihr Körper werde alt und ihr Herz immer jünger, hungriger und trauriger. Trauriger und hungriger als in jungen Jahren. Da war dieses Sehnen wie die Sichel des Mondes; und da war ihr ungeheuer attraktiver Mann. Attraktiver, mehr denn je Herr seiner selbst und seiner Gaben. Dort saß er, streckte die Hand aus und behielt den Rest für sich. Im Fernsehen lief ein Basketballspiel, und während sie es sich mit ansah, weilten ihre Gedanken und ihr Herz ganz woanders. Die Fernbedienung hatte er, wer sonst?
Zu Beginn des Werbeblocks schaltete ihr Mann auf einen anderen Sender um und ließ vor der Nase seiner Frau einen Film laufen, in dem sich gerade eine fremde Frau und ein fremder Mann küssten, und ihr schien, als küssten sie sich, so wie sie es früher einmal getan hatten. Doch ehe sie sich noch vergewissern konnte, waren die Küsse wieder verschwunden und der Basketball zurück. Hatten die zwei im Film sich verabschiedet oder begrüßt? Waren sie auf dem Weg ins Bett, oder wollten sie es gerade verlassen? Aber sie wollte nicht lange rätseln. Sie hatte zu viel mit sich selbst und ihren eigenen Sehnsüchten zu tun, um sich noch den Kopf über Akteure im Fernsehen zu zerbrechen. Was sie sich wünschte, war, dass ihr Mann, anstatt ständig wegzudämmern, ihr Geschichten erzählte und sie dann nach allen Regeln der Kunst liebte. Aber kein Gedanke. Sie betrachtete ihn; seit kurzem war er wieder genauso schlank wie früher. Nicht einmal das Jackett hatte er abgelegt, sondern nur den Knoten seiner Krawatte gelockert, die Beine übereinander geschlagen und sofort den Fernseher eingeschaltet.
»Ich mach es mir bequem«, hatte er erklärt und war gleich darauf eingenickt. Das waren seine Worte gewesen, während sie ihn voller Sehnsucht und Verlangen angeblickt hatte. Mit ihr zu leben sei für ihn, als lebte er mit sich selbst. So sagte er, woraus sie schloss, sie in seiner Nähe zu haben bedeute für ihn der allmorgendlich bereitstehende Kaffee, die sauberen Handtücher im Bad und das frische Obst vor dem Abendessen. Nichts weiter. Selbstverständlich, aber nicht unverzichtbar. Das Selbstverständliche ist einfach da, dachte Natalia, und niemand stellt sich die Frage, was geschehen würde, wenn es nicht da wäre. Das Selbstverständliche protestiert nicht. Wer hätte je ein Handtuch protestieren sehen?
Sie schob ihren Fuß zwischen seine Schenkel, wo sie ihn sanft kreisen ließ, um mit den Zehen zu ertasten, ob ihr Verlangen eine Chance hatte. Doch nichts, unter dieser Hose war nichts für sie. Urplötzlich kam ihr der Verdacht, das Büro, aus dem ihr Mann heimgekehrt war, könnte sich womöglich verlagert haben, wer weiß wohin, in eine Wohnung oder ein Hotel, zu einer anderen Frau. Andere Frauen? Viele Frauen? Ihre Freundinnen vermuteten, ihre Ehemänner hätten andere Frauen, doch in ihrem Fall glaubte sie das nicht. Zumindest bis zu dem Abend, als sie auf den Gedanken kam, er könne den Nachmittag mit einer Jüngeren oder Klügeren, einer Hübscheren oder Hässlicheren, einer Dümmeren oder Älteren, einer Feineren oder Unfeineren oder wie
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