Ehemänner
auch immer verbracht haben, Hauptsache, es erinnere ihn nichts an den Kühlschrank, die Kinder, die Mahlzeiten im Kreis der Familie, den Weihnachtsbaum, den sie immer noch nicht aufgestellt hatte, weil sie zu viel zu tun hatte. Erneut glitt ihr Blick über die Lider ihres erschöpften Mannes, sein Hemd, das er den ganzen Tag getragen hatte, die übereinander geschlagenen Beine. Doch da war nichts als das freundschaftliche Zwinkern eines »isst du heute noch was?«.
Sie schob die Hände unter den Bund ihres geraden, etwas locker sitzenden Rockes, Ließ sie an den Hüften hinabgleiten, führte sie in der Mitte zusammen, bewegte sie eine Weile und resignierte angesichts des Basketballspiels, das auf den Bildschirm zurückgekehrt war, gesteuert von der Fernbedienung, die ihr Mann in der Hand hielt. Wer sonst? Kein anderer als er, der jetzt kurz unter den halb geschlossenen Lidern hervorblinzelte, um sich zu vergewissern, dass er tatsächlich im Sportkanal gelandet war, bevor ihm die Augen wieder zufielen.
Natalia schaute durchs Fenster zum Mond am strahlenden Himmel auf, und bedauerte, dass sie wegen der Kälte nicht nach draußen gehen und ihn von dort betrachten konnte. Sie rückte ihren Schaukelstuhl ins einfallende Mondlicht, das sich im dunklen Raum einen Wettstreit mit dem Fernsehgeflimmer lieferte, und döste ein, nachdem sie gerade noch mitbekommen hatte, wie ein Mann mit dem Körper und der Seele einer Gazelle den Ball in den Korb beförderte. Ihr Mann wurde nicht mehr Zeuge dieses Treffers.
In dem flüchtigen Traum, der sich hinter Natalias Stirn abspulte, sagte sie sich, vielleicht hätte sie nicht schon mit neunzehn Jahren heiraten sollen. Mit vierzig bereits Enkel zu haben war vom Schicksal reichlich übertrieben. Es herrschten andere Zeiten als früher. Wer vermochte schon zu sagen, ob es gut ist, Hormone zu schlucken. Früher hatten die Großmütter weißes Haar, saßen da und häkelten Bettjäckchen, bewegten sich möglichst nicht zu viel und wären nie frühmorgens zum Joggen in den Park geeilt. Die Großmütter schämten sich auch nicht ihrer Ballen an den Füßen, denn sie wären nie auf die Idee gekommen, Sandalen oder gar spezielle Laufschuhe zu tragen, um in einem Zehn-Kilometer-Marathon mit anderen zu wetteifern. In solchen Dingen waren ihre Großeltern besser dran gewesen, dachte sie. Sie war es in anderer Hinsicht. Dann verlor sie sich in dem Traum, der ihr in letzter Zeit den Schlaf raubte.
Eine halbe Stunde später schreckte sie wieder hoch. Es lag ihr nicht, angezogen im Sessel zu schlafen. Im Fernsehen war man jetzt zum Wintersport übergegangen; ihr Mann lag im Pyjama da und schlief so tief und fest, wie sie es sonst nur von Babys kannte. Im Schlaf sah er ganz friedlich aus, als umschwebte ihn zwar noch die übliche Hast, doch ohne ihn zu berühren. Wirklich, er war ein Mann, dem die Jahre eher zum Vorteil als zum Nachteil gereichten. Natalia musste sich eingestehen, dass sie niemals einen anderen hätte heiraten können.
Sie legte den Kopf in den Nacken, eine Geste, die dem Gedächtnis auf die Sprünge helfen sollte, und fragte sich, was wohl aus ihr geworden wäre, wenn sie einen anderen Mann geheiratet hätte. Rasch überschlug sie noch einmal ihre diversen Anwärter: Aus dem, den sie mit sechzehn geliebt hatte, war ein unansehnlicher, dickwanstiger Brillenträger geworden. Nach ihm hatte es noch andere gegeben. Doch wer hätte ihr besser gefallen als eben der, den das Leben ihr als verlässlichen Partner beschert hatte? Wer? Etwa der Blonde mit den blauen Augen, dem kein einziges Haar mehr auf dem Kopf geblieben war? Vielleicht der Dunkelhaarige, der so intelligent getan hatte, bis sich herausstellte, dass er dumm war wie Bohnenstroh? Der Sympathische, der heute immer noch dieselben Witze erzählte?
Oder der stinkreiche Langweiler, der sich zu einem alten Geizkragen entwickelt hatte?
In einer Kleinstadt aufzuwachsen, in die man nur ab und zu zurückkehrt, hat den Vorteil, dass man wie durch ein Schlüsselloch beobachten kann, was aus einem Teil der eigenen Vergangenheit geworden ist. Kein Zweifel, es gab keinen besseren Mann als den, mit dem sie kurz hintereinander drei Töchter und zehn Jahre später noch einen Sohn bekommen hatte. Anschließend hatte sie sich die Eileiter durchtrennen lassen und angefangen, in dem Geschäft für Fotokameras zu arbeiten, das ihr Vater ihr vermacht hatte wie ein Königreich. Nein, sie konnte sich keinen besseren vorstellen als ihren Ehemann. Den,
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