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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angeles Mastretta
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der heute Abend dort vor ihr lag und schlief. Sie hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt, ihm die Neuigkeit mitzuteilen, die ihr den Schlaf raubte. Sie stand auf, um sich abzuschminken und die ganzen momentan so gepriesenen Wundermittelchen einzunehmen: Tofu als Proteinergänzungsmittel; Vitamin E für Haut und Gedächtnis; Vitamin-B-Komplex für angegriffene Nerven; Spirulina Algenkapseln, der Himmel wusste wofür; Folsäure gegen Wechseljahrsbeschwerden; Chondroitin mit Glucosamin, um zu verhindern, dass ihr kleiner Finger sich weiter verkrümmte, und wie hießen noch diese kleinen Samen gegen Darmträgheit, die man mit einem Glas Wasser einnahm: Leinsamen?
    »Wer weiß«, sagte sich Natalia, während sie geräuschvoll eine Schublade zuschob.
    »Was treibst du noch so lange, mein Mädchen?«, hörte sie die Stimme ihres Mannes vom Bett aus. »Warum trödelst du so lange vor dem Schlafengehen?«
    »Weil ich noch nicht schlafen will«, sagte Natalia, die meinte, die Stimme eines Engels zu vernehmen, als ihr Mann sie »mein Mädchen« nannte.
    »Dich bedrückt doch etwas, oder?«
    »Ich will nicht alt werden.«
    »Du wirst aber eine attraktive Alte sein.«
    »Dein Enkel Pablo war heute mit seiner Freundin hier. Den ganzen Nachmittag über haben sie im Garten geknutscht.«
    »Nur geknutscht?«
    »Mit dreizehn? Was denn sonst? Mir kommt es so vor, als wäre er gerade erst gestern auf die Welt gekommen.«
    »Gestern er und vorgestern seine Mutter. Und das stimmt dich traurig? Fürchtest du vielleicht, du könntest bald Urgroßmutter werden? Glaub mir, mir macht ein viel größerer Kummer zu schaffen. Komm, ich zeige es dir.«
    »Was zeigst du mir?« Natalia trat zu ihm.
    »Schon seit heute Morgen will ich es dir zeigen, aber du bist gleich verschwunden, als ich im Bad war. Da konnte ich noch so laut nach dir rufen. Es hätte mich fast umgebracht. Ein knutschender Enkel im Garten ist nichts dagegen. Dann wollte ich es dir sagen, als ich heimkam, aber du hast mich mit einem so verträumten Gesicht empfangen, dass ich dich nicht behelligen wollte.«
    »Da bist du lieber auf der Stelle eingeschlafen. Welch ein Problem plagt dich denn?«
    »Ich habe ein weißes Haar am Penis«, sagte er zutiefst betrübt.
    »Lass sehen«, bat Natalia mit leuchtenden Augen. »Na los, lass sehen.« Aus ihrem heiteren Ton sprach die Erleichterung.
    »Nicht mal im Traum«, sagte er. »Jetzt will ich auch nicht mehr. Du darfst es höchstens fühlen. Na, komm endlich ins Bett, Urgroßmutter.«
    Nur halb abgeschminkt kroch Natalia zwischen die Laken, rollte sich einmal um die eigene Achse, bis sie neben ihrem Mann zu liegen kam, und tastete mit der Hand nach der Stelle, wo sich das berüchtigte Haar befinden musste.
    »Es fühlt sich phantastisch an«, sagte sie.
    Dann ging die Kamera dessen, der die Szene gefilmt hätte, wenn das hier ein Film wäre, aus, und es wurde schwarz. Am nächsten Morgen sprang der Mann mit einem Satz aus dem Bett und machte sich daran, radfahrend Zeitung zu lesen. Sie ihrerseits begrüßte den Morgen pfeifend, schlüpfte in ihre Joggingschuhe, rief den Hund herbei und machte sich, mindestens zehn Jahre jünger als am Abend zuvor, auf den Weg in Richtung Park. Als sie nach ihrer Rückkehr in die Dusche steigen wollte, traf sie dort auf ihren Mann. In wenigen Sekunden war sie ausgezogen und gesellte sich zu ihm, der sich gerade von Kopf bis Fuß einseifte.
    »Na, Urgroßmutter«, begrüßte er sie.
    »Na, junger Mann«, sagte sie und ließ den Blick zu dem schwarzen Busch hinabgleiten, in dem sich das berühmte weiße Haar verbarg. Das Wasser legte es nach und nach unter dem Seifenschaum frei. Es war ein einzelnes, gelocktes Haar. Sie sagte nichts. Nach einer Weile trockneten sie sich voreinander ab: er in Eile, sie in gemächlicher Zerstreutheit wie jeden Morgen. Unter dem Vorwand, sich die Füße abzutrocknen, bückte sie sich langsam, und plötzlich befanden sich ihre Augen direkt auf der Höhe jenes weißen Haars. Mit dem Mund tastete sie nach der Stelle, um ihr einen Kuss aufzudrücken. Das weiße Haar befand sich seitlich, knapp vor der Leistenbeuge. Und es war tatsächlich gelockt. Sie küsste es.
    »Was machst du da, du Närrin?«
    »Ich habe es soeben vernascht«, sagte sie .

Eine von beiden
    Lucía beobachtete, wie ihr Mann im Sessel döste. Von Zeit zu Zeit wachte er auf und schaute sie lächelnd an wie aus einer anderen Welt. Als er wieder einmal für einen kurzen Moment die Augen aufschlug, sagte sie voller

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