Ehemänner
getrieben«, entgegnete er und kramte in seiner Jackentasche nach einem Taschentuch.
»In letzter Zeit bringt mich alles zum Weinen«, entschuldigte sie sich.
»Es schmeichelt mir, dass ich für dich alles bin«, sagte er und umarmte sie von Neuem mit der Unbefangenheit dessen, der gelernt hat, sich keinen Zwang anzutun.
»Ich werde langsam alt.«
»Du siehst toll aus.«
»Man hat mir schon berichtet, dass du ein hübscher Kerl geworden bist.«
Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort. Er hielt sich für mehrere Tage in Mexiko-Stadt auf und hatte sich an dem Mittag auf den Weg zum Zócalo begeben, aus purer Lust, dort entlangzuschlendern. Sie war mit ihrer Freundin Valeria auf einer Restaurantterrasse in der Nähe zum Essen verabredet.
»Du hast schließlich doch noch geheiratet, trotz aller Vorbehalte«, sagte er.
»Ich habe nie geheiratet«, sagte sie.
»Aber du lebst doch seit mehr als zwanzig Jahren mit dem gleichen Mann zusammen.«
»Mehr oder weniger«, sagte sie. »Du hast aber geheiratet, oder?«
»Sogar zweimal. Ich habe vier Kinder.«
»Wie leichtfertig.«
»So wie achtzig Prozent der Mexikaner. Du hast zwei Kinder, nicht wahr?«
»Ja, wider Erwarten«, sagte Elena.
»Du hast so viel Unsinn geglaubt.«
»Als wärst du nicht meiner Meinung gewesen.«
»Was die Kinder betrifft, niemals.«
»Ich hatte einfach Angst, niemanden zu finden, mit dem ich welche bekommen könnte.«
»Mangelndes Vertrauen«, sagte er mit diesem schiefen Lächeln, das ihm geblieben war.
»Du warst ja noch ein Kind. Wohingegen ich damals verzweifelt nach einem Papa suchte.«
»Ich weiß nicht, wer dir eingeredet hat, Väter müssten Mistkerle sein, denn nur solche hast du dir gesucht. Obwohl dein Vater, wie wir beide sehr wohl wissen, ja ein Heiliger war.«
»Diese Überzeugung habe ich mir uneingeschränkt bewahrt.«
»Das merkt man deinen Filmen an. Ich habe sie alle gesehen.«
»Es sind nur drei. Dafür kann ich darauf verweisen, dass ich alle deine Bücher gelesen habe.«
»Es sind nur zwei.«
»Aber schwere Kost, fast wie eine Enzyklopädie. Und hoch gelobt.«
»Niemand lobt einen Wissenschaftler.«
»Du hast aber durchaus deine Bewunderer. Ich konnte es in den Augen meiner Tochter lesen, als ich ihr sagte, du seiest mein Freund.«
»Bin ich denn dein Freund?«
»Wider Willen. Du hast mir regelrecht das Herz gebrochen.«
»Verdient hast du es ja. Was für ein Gesicht hast du am nächsten Tag gemacht, als du zu unserem Treffen kamst? Das einer verweinten Witwe, damit ich dich über einen Kummer hinwegtröstete, für den es keinen Trost gab? Du warst doch in vielem so stark, warum nicht in der Hinsicht?«
»Das bin ich bis heute nicht.«
»Lügnerin«, sagte er, der immerhin einiges über sie wusste.
Sie waren in der Mitte des Platzes angelangt und blieben unter der Fahne stehen.
Hier hatten sie schon an einer Menge Demonstrationen, Sitzstreiks und Versammlungen teilgenommen. Manchmal waren sie auch um zwei Uhr morgens hergekommen, nur um den Blick über den menschenleeren, vom Regen nassen Platz zu genießen.
Erinnern heißt noch lange nicht leben. Sie musterte ihn entzückt und war irritiert von dem plötzlichen Wunsch, ihm einen Kuss aufzudrücken und ihn nackt zu sehen.
Das aber war völlig abwegig. Warum sollte sich ein jüngerer Mann in sie verlieben, der sich noch dazu, warum auch immer, den jugendlichen Körper mancher Endvierziger bewahrt hatte, und ausgerechnet mit ihr ins Bett gehen wollen. Ihre Brüste und Schenkel waren die einer reifen Frau, bei der sich nicht mehr alles an seinem Platz befand, obwohl ihre Gelüste frisch wie eh und je waren.
»Du solltest meine Geliebte werden«, sagte er.
»Mit Vergnügen«, erwiderte sie mit funkelnden Augen.
Claudio zog sein Portemonnaie aus der Tasche und entnahm ihm eine Visitenkarte mit seiner Mailadresse, den Telefonnummern seines Büros, seiner internationalen Handynummer und seiner genauen Berufsbezeichnung.
»Du hast immer noch diesen Unschuldsblick«, sagte er.
Sie starrte ihn ungläubig an und kramte dann in ihrer Handtasche: Dort fand sie eine Karte, auf der in dunkelvioletter Schrift ihr Name nebst dem ihrer Firma stand.
Dann bat sie Claudio, seinen Rücken als Unterlage benutzen zu dürfen, und neigte sich vor, um etwas auf die Rückseite der Karte zu kritzeln. Wann hatte er bloß dieses Kreuz entwickelt?
»In die hier schaue nur ich rein«, erklärte Elena.
»Welch eine Ehre. Ich bekomme Zutritt zum Privaten.«
Es war bereits
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