Ehemänner
eines Sonntagnachmittags einnickte wie in der friedvollen Stille eines Klosters. Wer weiß auch, welche Beine, welch ein Abenteuer, welch ein Lachen und welch ein Liebesgeplänkel ihn fesselten, wenn sie ihn frühmorgens im Schlaf beobachtete und seine Träume erahnte. Wer weiß, welche Geheimnisse, welch abtrünnige Leidenschaft sich hinter seinen geschlossenen Lidern einschlichen, während Clemencia ihm beim Schlafen zusah, wie jemand, der sich eine Reise ausmalt, zu der er nicht eingeladen ist.
Derlei Gedanken hatte sie sich nie machen wollen, denn das hielt sie aus Gründen der Vernunft für banal, im Sinne eines moralischen Urteils für absurd und wegen möglicher Überreaktionen geradezu für gefährlich. So sehr fürchtete sie, einem wie auch immer gearteten Wahn zu verfallen, dass es ihr nie in den Sinn gekommen wäre, in den Heimlichkeiten des Mannes herumzuschnüffeln, mit dem sie in innigem häuslichen Einvernehmen Tisch und Bett teilte, den sie vorbehaltlos und um so vieler Dinge willen liebte, und das schon seit den längst vergangenen Zeiten, als man die Demokratie noch herbeisehnte und sie noch nicht Aufruhr bedeutete.
Dass die Wege der Lust vielfältig und mitunter verschlungen sind, hatte sie seit jeher für logisch gehalten, doch zu ergründen, über welch unwegsames Gelände die geheimen Pfade in der Seele ihres Mannes führen mochten, stand nicht auf der Liste ihrer zu lösenden Probleme. Dort gab es genügend andere Dinge, die sie gut gehütet wissen wollte.
Daher schenkte sie manch unbestimmter Nachfrage über die Beschaffenheit ihrer Ehe auch kein Gehör, und noch viel weniger der Überschwänglichkeit, mit der einer aus ihrem Bekanntenkreis meinte, ihr mitteilen zu müssen, wie sehr sie alle die vorbildlich moderne, intelligente Art ihres Ehepaktes bewunderten. Sie wollte lieber nicht wissen, welche brisanten Informationen hinter derartigen Schmeicheleien steckten, und den anderen schon gar nicht den Gefallen tun, durch eine wie eine Nelke en passant fallen gelassene Bemerkung argwöhnisch zu werden.
Wenn Clemencia auch nicht wusste, welche Welten er in einem Stückchen Traum hortete, ahnte sie doch, wie viele einem in kürzester Zeit in die Quere kommen können: Ihr eigenes Leben war ein einziger Tummelplatz wirrer Phantasien, in denen sich zahlreiche Abgründe auftaten. Deshalb hatte sie zwar Angst, aber irgendwie auch Verständnis für ihn und seine Geheimnisse. Dabei fragte sie sich, während sie ihn betrachtete, sogleich, wem dieser Mann, der dort neben ihr in seinen Träumen versank, noch einen Platz einräumte, während sie Nacht für Nacht mit ineinander verschlungenen Beinen glücklich Seite an Seite schliefen. Wohin führte ihn diese Reise in seinem Kopf? In welche Betrachtung welcher Augen mochte er vertieft sein?
In all den Jahrhunderten ihres Zusammenlebens hatte Clemencia keinmal diese albernen Stiche der Eifersucht verspürt, die sich einem in den Magen fressen, nicht ein einziges Mal, bis zu dem Moment, als ihr das lose Ende eines Knäuels direkt vor die Füße fiel. Sie brauchte nur ein wenig daran zu ziehen, und schon entrollten sich Weinseligkeit und Geschrei, Reisen und Küsse, Briefe und Geschichten, Liebesgeflüster und Gedichte vor ihr, wodurch sie sich urplötzlich mit all den Zweifeln und Gewissheiten konfrontiert sah, von denen sie nie hatte wissen wollen.
Sie, die sich eingebildet hatte, frei zu sein von Zwängen wie Misstrauen, Schnüffeleien, Unsicherheit und Eifersucht, musste zu ihrem Leidwesen erkennen, dass ihr Gatte nicht nur in der Lage war, mehrere Firmen und eine Vielzahl von Geschäften zu führen, sondern auch Beziehungen zu unterschiedlichen Frauen, gefälligen Frauen, denen auch er gefiel, Frauen, die sich ihm leidenschaftlicher hingaben, mehr lachten oder weinten als sie. Unter diesen Umständen schien es ihr so unmöglich wie möglich.
Sie gab sich jede erdenkliche Mühe, all das auszublenden, nicht dran zu denken, sich mit tausenderlei Erklärungen zu beschwichtigen. »Jeder muss selbst wissen, was er tut, und wer bin ich schon, um über andere zu urteilen«, redete sie sich stunden-, tage-, monatelang ein. Sie entwickelte ein solches Geschick darin, sich selbst etwas vorzumachen, dass sie am Ende tatsächlich glaubte, es sei nichts passiert, und wenn doch, dann anderswo, nur nicht bei ihr. Die Freiheit, die sie sich einst im orange schimmernden Abendlicht zwischen den Bettlaken eines Studentenheims gelobt hatten, durfte unter keinen
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