Ehemänner
Mittelpunkt der Clique, in die er sich so unauffällig einfügte, als wäre er Luft. Zu dem Zeitpunkt wussten sie schon längst nicht mehr, warum sie lachten, doch als sie sich voneinander verabschiedeten, waren sie glücklich.
Am nächsten Montag tat er alles, um sie zu finden. Sie saß in dem kleinen Hof ihrer Fakultät und begrüßte ihn eher beiläufig, ohne sonderlich auf seine dunkel glänzenden Augen, seinen durch und durch unschuldigen Mund, seine sich verzehrende Männerstimme oder seinen noch pubertär schmachtenden Körper zu achten.
Es war der Körper eines jener jungen Männer, die noch mit über zwanzig einen Gang an den Tag legen, als seien sie noch nicht ganz auf der Welt angekommen.
Von Anfang an ahnte Elena, wie begabt er war, und behandelte ihn, verzaubert von seiner entzückenden Schüchternheit, als stünde ein Wunderknabe vor ihr, den man möglichst so rückhaltlos hätscheln wie rücksichtslos stehen lassen sollte. Sie merkte nicht, dass dieser gutherzige Junge ohne Bauchansatz oder schwerwiegende Probleme, der so völlig anders war als der Schuft, in dessen Bann sie stand, mehr von ihr wollte als die bloße Freundschaft, die sich zwischen ihnen anbahnte.
Über dieses Thema schwieg er sich lieber aus. Intuitiv wusste er, wie ihre Antwort lauten würde, und machte um diese Frage einen weiten Bogen, so wie man dem Feuer ausweicht. Alles andere hingegen genoss er: ganze Vormittage, an denen sie von einem Land ohne Guerrilla und deren Häscher träumten, mit echten Wahlen und verteiltem Reichtum. Nächtelange Diskussionen, während sie die Beatles oder Mahler hörten und Elena sich, wenn die Musik sie melancholisch stimmte, wegen des anderen Mannes an seiner Schulter ausweinte, oder beide sich köstlich darüber amüsierten, auf was für abwegige Gedanken ihre Gespräche sie brachten.
»Wusstest du, dass die Neuronen beim Riesentintenfisch genauso funktionieren wie beim Menschen?«, sagte er zum Beispiel.
»Und warum können wir dann so schlecht schwimmen?«
»Aus dem gleichen Grund, aus dem Tintenfische nicht philosophieren können.«
»Wäre es denn denkbar, dass sich einer mit den Neuronen verliebt?«
»Ja, du mit deinen Tintenfischneuronen«, sagte er und dachte dabei an den Unbekannten und daran, dass sie sich von einem Mann an der Nase herumführen ließ, der nicht in der Lage war, sie zu lieben.
Nichts konnte ihn mehr zur Weißglut bringen als das. Eines Morgens sah er, wie sie ihrem Abgott hinterherlief wie ein waidwundes Tier.
»Wenn du ihm weiterhin nachrennst, bin ich nicht länger dein Freund.«
»Verlang nichts Unmögliches von mir. Ich werde mich nachher mit ihm treffen, auch wenn er morgen früh gleich wieder verschwindet.«
»Er wird verschwinden und ich ebenfalls«, sagte Claudio. Dann hielt er ihr eine Standpauke, fragte sie, wie sie so dumm sein und daran zweifeln könne, dass dieser Kerl auf ewig verheiratet bleiben würde, und nicht mal nur mit seiner Frau, sondern mit sich selbst.
»Denn er vergöttert nur sich selbst«, schloss er.
»Er ist ja auch anbetungswürdig. Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass er immer verheiratet bleiben wird, in erster Linie mit sich selbst, aber was soll ich tun?«
»Denk mal mit dem Kopf, der auf deinen Schultern sitzt, anstatt mit dem Unterleib.«
»Den Kopf brauche ich für andere Dinge. Wenn ich mit ihm zusammen bin, ist der überflüssig.«
»Wenn du weiter bei diesem Verführer Minderjähriger bleibst, siehst du mich nie wieder«, sagte er. Daraufhin Ließ sie ihn am Eingang des hellen, freundlichen Parks hinter dem alten Fakultätsgebäude für Politische Wissenschaften einfach stehen.
Sie verschwand mit wiegenden Hüften, in ihrer Schlaghose und dem Strickpulli.
Seither waren genau genommen, denn Zeit ist, wie man seit Einstein weiß, relativ, sechsundzwanzig Jahre, neun Monate, zwei Wochen und ein Tag ins Land gegangen.
Das war nicht nur ihren Gesichtern anzumerken, sondern glücklicherweise auch ihren Köpfen und zeigte sich obendrein an der Selbstverständlichkeit, mit der sie sich in die Arme schlossen. Sie befanden sich an der Ecke Brasil und Cinco de Mayo, nur wenige Schritte von dem hektisch pulsierenden Platz entfernt, den die Bewohner Mexikos Zócalo nennen und unverhohlen als das Herzstück ihrer kompromisslosen Stadt betrachten.
»Du bist tatsächlich verschwunden«, sagte sie, und es machte ihr nichts, als ein paar Tränchen ihre Augen verschleierten.
»Du hast mich fast in den Wahnsinn
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