Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angeles Mastretta
Vom Netzwerk:
»Unsere Alten sollen es niemals erfahren, aber Sie und ich, wir sind tot mehr wert als lebendig.«
    Das mit der Lebensversicherung von der Firma hatte sie gewusst, doch selbst als sie mit angesehen hatte, wie er sich halb tot soff, hatte sie nie daran denken wollen, denn im Grunde ihres Herzens hing sie an ihrem Mann. Vielleicht war das nicht klug, aber letztendlich hatte sie sich eingestehen müssen, dass sie ihn noch liebte, und sei es nur, weil sie ihn früher einmal so sehr geliebt hatte.
    Am Abend der Totenwache wollte sie das Thema auf keinen Fall anschneiden, da man den Toten ein Minimum an Respekt schuldet, selbst den schlimmsten Taugenichtsen. Außerdem tröstete sie sich damit, dass ihr Mann zwar alles Mögliche gewesen sein mochte, aber er hatte sie nie geschlagen, und das war, wie sie zur Genüge hatte beobachten können, eher eine Seltenheit. Dafür wollte sie auch dem Schicksal danken, nicht aber Gott, denn dem war sie keinen Dank mehr schuldig.
    Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, ihren Schwager genauer über ihre Pläne in Kenntnis zu setzen. Besser, er hielt sie für dumm als für die Erbin von ein paar Pesos. Für ihre Kinder sah sie kaum Probleme. Sie würden in Zukunft genauso viel von ihrem Vater haben wie zuvor. Schon immer war er mehr in ihren Köpfen präsent gewesen als in ihrem Leben; sie wussten von ihm gerade das, was Dominga ihnen erzählte, so dass es reichte, wenn sie ihnen gegenüber sein Andenken in Ehren hielt, damit ihnen der Vater mitsamt der Erinnerung an ihn ein Leben lang erhalten blieb. Das ist das Glück der Witwen: Nichts hindert sie daran, den Mann, mit dem sie gelebt haben, schönzureden, und so gelang ihr im Laufe der Zeit die Wiederbelebung der einstmals erträumten Idylle immer besser.
    Sie holte sich die Lebensversicherung, indem sie alle nötigen Formalitäten erledigte. Immer wieder sprach sie vor und wusste sich zu schlagen. Mit der kirchlichen Bescheinigung wies sie ihre Heirat nach, denn eine amtliche Heiratsurkunde gab es nicht. Und tatsächlich händigte die Fluggesellschaft ihr schließlich eine kleine Summe aus. Davon kaufte sie sich zwei weitere Kochtöpfe und bestritt die ersten drei Monatsmieten für ein Ladenlokal, von dem sie schon seit vielen Jahren träumte. Ein winziges Loch, nur so groß, dass sie dort im Sommer vor dem Regen und an den Februarabenden vor der Kälte Schutz fand. Noch nie war sie glücklicher gewesen. Immer schon wäre sie gerne gereist, und nun erkundete sie die Wunder der Stadt, als bereiste sie die Welt. Sie war überzeugt, dass der Großmarkt mit all seiner bunten Pracht der Ort sei, an dem man die besten Lebensmittel finden konnte; dort besorgte sie sich zweimal pro Woche ihre Säcke voll Mais, den sie jetzt mit der wissenschaftlichen Konzentration eines Mathematikers auswählte, sie lachte mit den Händlern und hielt mit jedem, den sie traf, ein Schwätzchen. Und erst der Taxifahrer, der ihr immer rein zufällig über den Weg lief und sie für ein Zehntel des Preises heimfuhr, den andere verlangten. Sie hatte so viele Freundschaften geschlossen, wie ihr Heimweg Haltestellen zählte, und sang für ihr Leben gern.
    Von ihren neun Kindern waren drei bereits vor dem Tod ihres Vaters über die nördliche Grenze gegangen, drei besuchten noch die Schule, und drei arbeiteten in der Werkstatt bei Meister Eusebio, einem Tischler, der die feinsten Möbel der Welt baute und ihnen beigebracht hatte, das Holz so zu polieren und zu lackieren, dass ihre Bücherregale sich anfühlten, als hätten sie eine Haut aus Seide. Señora Fez war mächtig stolz auf ihre Kinder, und Grund genug hatte sie, denn nicht selten macht ein schlechtes Vorbild Schule, doch nicht so in ihrer Familie.
    Sie saß im Bus und dachte, etwas Gutes müsse der Mann, den sie sich ausgewählt hatte, wohl gehabt haben, denn auch er hatte seinen Teil dazu beigetragen, dass ihre Kinder so tadellos geraten waren.
    Señor Fez, diesem Trunkenbold, zu Ehren nannte Dominga ihre Maisküche »Zum guten Gatten«. Sein Foto stellte sie auf der Kommode auf, wo auch das Wasserglas für den heiligen Judas Thaddäus, die kleine Figur der Jungfrau von Guadalupe und ein Bild der heiligen Rita standen, die sie immer, wenn sie einen Gewinn einstrich, noch einmal ermahnte, für alle Fälle: »Heilige Rita, ich sag dir unverhohlen: Weg ist weg, wiederholen ist gestohlen.«
    Unter dem Schutz einer solchen Heiligenrunde, inklusive des Señor Fez, der sich dort auf dem Altar besser aufführte

Weitere Kostenlose Bücher