Ehemänner
schwarze Hose und einen grünen Blazer liegen und in Mantua eine orangefarbene Bluse. Desgleichen verschwanden eine Wimperntusche auf der Zugfahrt nach Verona und ein Rückflugticket nach Mexiko irgendwo in den launigen Ritzen eines Koffers.
Clemencia konnte sich jedes Mal auf einen Spruch ihrer älteren Schwester berufen: »Das Leben bleibt nichts schuldig.« Diese Maxime, von der Schwester einmal in einem Anfall von Nachdenklichkeit geäußert, wurde nun im Laufe dieser zur Kunst erhobenen Reise tausendfach abgewandelt.
Nie stritten sie, nicht einmal um die Rechnungen oder die Restaurants, die Zeit, die man in dem einen oder anderen Geschäft verweilen wollte, oder die Muße, die man an dem einen oder anderen Ort suchte.
Mit einer Sammlung buddhistischer Weisheiten, einem Buch über Reisen auf alten Segelschiffen und einem Band mit den schönsten Erzählungen aus dem 19. Jahrhundert im Gepäck waren sie in See gestochen, um zu erkunden, was an Schauplätzen geschah, die weniger geheim waren als die, von denen so mancher Gatte träumte.
Diese Reise hatte in der Tat alles Erdenkliche zu bieten: angefangen bei den vor Lachen sprühenden Augen einer außergewöhnlichen Frau in Spanien, über die blumigen Komplimente auf Teneriffa, die in Versform daherkommen, den hervorragenden Geschmack eines Seehechts im Licht einer gläsernen Kuppel, die seidige Zartheit eines Bellotaschinkens, einen Milchreis mit einem Hauch Jasminaroma, bis hin zu einem Almodóvar-Film und den beiden Mündern von Gael García.
In Venedig ereilte die Schwestern das Pech, mitten in das Filmfestival hineinzugeraten, so dass allen dreien nichts weiter übrig blieb, als mit den eigenen sechs Händen ihr Gepäck für vier Wochen und zehn verschiedene Klimazonen zu schleppen, bis sie endlich ein Taxi fanden, das in Venedig bekanntlich ein von einem Rüpel gelenktes Boot ist. Dort auf dem Wasser raubte ihnen der Anblick der Stadt im goldenen Schimmer des letzten Abendlichts fast die Sinne, wie einem jeden, der das Wunder erkennt, das die Stadt am Leben erhält. »Nessuno entra a Venezia da straniero«, niemand kommt als Fremder nach Venedig, wie der Dichter laut Aussage einer der Schwestern schrieb, die mit ihrem merkwürdigen Gedächtnis für Verse alles vergaß, außer wenn sie es im passenden Moment wieder hervorkramen konnte.
Ein geflügelter Löwe blickte auf den Canal Grande, der Mond schimmerte am Himmel über dem Platz, dass es einem den Atem verschlug, den man erst wiedererlangte, wenn sein Zauber einen erfasste. Ein dem Festival entliehener Lichtkegel färbte die elfenbeinfarbene Kathedrale violett. Unter der oberflächlichen Ordnung ein Chaos hydraulischer Vorrichtungen eines koreanischen Unternehmens, das für den absackenden Boden eine neue Zukunft verspricht. Jenseits der Schutthalde die berühmte Uhr, noch immer hinter Baugerüsten, und die Glocken, die endlich wieder Dienst taten und mit zwölf Schlägen die Mitternacht einläuteten. Zur gleichen Zeit spielten drei Musikkapellen, und unter dem Löwen tanzte selbstvergessen ein Paar. Aber wen brachte das auf die dumme Idee, dem nachzuspüren, was ihren Mann umtrieb? Keine geringere als Clemencia, die meinte, sich unbedingt in den Löwen verlieben zu müssen. Denn »Das Leben bleibt nichts schuldig«, und diese Raubkatze, die dem Unermesslichen die Stirn bot, schien ihr eine Art der Liebe zu erklären, von der niemand genug bekommen kann und nach der sich jeder verzehrt.
In letzter Zeit litt die Älteste der Schwestern unter notorischen Schlafstörungen und lief, selbst wenn ihre gesamte Umgebung sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte, immer noch im Hotelzimmer umher, als fürchtete sie, im Schlaf könnten ihr die Schlüssel zu irgendeinem Königreich abhanden kommen. Doch selbst sie lag bereits im Bett, als Clemencia mit dem Löwen im Herzen und dem Frühstückstablett auf dem Arm das Zimmer des Palastes betrat, wo sie nächtigten.
In Mantua, das aus nichts als Terrakotta und Zeit, Mauern und Palästen bestand, gerieten sie mitten in ein Festival des Buches, das in der gesamten Stadt gefeiert wurde. Eine Woche lang waren alle Hotels und Innenhöfe, alle Märkte und Geschäfte, alle Museen und Reisebüros, sämtliche Schulen, Nächte, Telefone, Vormittage, jede Cafeteria und der gesamte Himmel von feiernden Schriftstellern und Lesern belagert. Das traditionelle Gericht der Gegend: Ravioli di Zucca. Doch was tat Clemencia? Sie zerbrach sich den Kopf über Dinge, die um vieles
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