Ehemänner
Umständen durch Vorhaltungen auch nur angetastet werden.
Auf diese Weise verging ein Jahr, bis der Wind sie eines Tages bei der Betrachtung ihres Mannes überraschte, der seine Siesta mit einer solchen Hingabe unter den geschlossenen Lidern und einer solchen Ruhe in seinen Händen schlief, dass sie bei der bloßen Vorstellung, er könnte woanders ebenso friedlich schlafen, ihre Gelassenheit verlor und sich unbedingt einen Einblick in dieses Labyrinth verschaffen musste, in dem ein verborgener Minotaurus das heimliche Leben ihres Gatten lenkte. Denn keiner der noch so unglaublichen Spekulationen – eine Blondine oder eine Brünette beim Bauchtanz, eine Chilenin oder eine Schwedin, die ihm mit der in chinesischer Tinte gezeichneten Poesie eines Dänen schmeichelten, eine rothaarige Soziologin oder eine ehrgeizige Betriebswirtin, die ihn aufs Ohr küssten, eine Psychologin, deren Klauen nicht einmal Freud entkommen wäre, eine Vulgäre mit Locken und Spitzenhemdchen, eine Schlaue in Schneiderkostüm und Mokassins, eine, die Lieder vortrug, oder eine, die ihn mit der Analyse von Vorhersagen irgendwelcher Statistiken verführte, eine, die sich zu betrinken verstand, eine, die rasch auf Touren kam, oder alle zusammen, wie sie voller Verzückung mit ihm im Park Liebe machten – galt ihre größte Angst, denn das Einzige, was ihr wie kaum etwas in der Seele weh tat, war der Gedanke, es könnte irgendwo auf der Welt noch eine Person geben, vor der er so selbstvergessen seine Siesta hielt wie bei ihr daheim.
Monatelang zerbrach sie sich den Kopf und schürte ihren Verdacht, bis es sie mehr als alles danach verlangte, den Fall zur Anklage zu bringen, wobei allein schon der Gedanke an die Erklärungen, Verhöre und endlosen Auseinandersetzungen sie beschämte.
Wer weiß, wie oft sie sich bereits geschworen hatte, aus einer Mücke keinen Elefanten zu machen, aus einem Bolero keinen Tango und keine Philippika aus dem, was eigentlich Poesie sein sollte. In dem Willen, sich an ihre Schwüre zu halten, wollte sie sich an diesem Sonntag dem unschuldigen Anblick ihres schlafenden Mannes so rasch wie möglich entziehen, weshalb sie ihre beiden Schwestern und innigsten Vertrauten bat, sie auf ihre vielbesprochene Reise nach Italien und Spanien mitzunehmen.
Die Schwestern, die das Reisen als eine Kunst betrieben, waren hellauf begeistert. Clemencia ist eine mannigfach begabte Künstlerin: Sie versteht es, bis weit nach Mitternacht zu reden und sich mit hellseherischer Genauigkeit an die Highlights aus dem Leben der öffentlichen und privaten Gesellschaft ihrer aller Geburtsstadt zu erinnern. Sie versteht allerhand von Musik und bildender Kunst, von edlen Weinen und Etikette, und weiß Dinge wie, dass man sich in Spanien mit zwei, in Frankreich mit drei Küsschen begrüßt und dass sich deren Anzahl in Italien nach der Laune des Gegenübers richtet. Sie weiß englische Wörter einzustreuen, wenn sie das Frühstück bestellt, und spricht zwar schlecht, aber formvollendet Italienisch, egal ob mit einem Gondoliere oder mit Dante. Clemencia kennt die spezielle Bedeutung von spanischen Ausdrücken wie »vale«, »polvo« oder »cono«. Sie kann sich stundenlang auf den Beinen halten, Karten lesen und verliert nie die Geduld, wenn Serviceleistungen in Europa erbracht werden, als wären sie ein großzügiges Geschenk, oder Geld kosten, als müsste man sie mit Zins und Zinseszins zurückzahlen. Clemencia hat kleine Füße, die Augen eines wachsamen Vogels, das Mundwerk einer gesegneten Klatschbase und ist nah am Wasser gebaut. Allein an der Nennung des Namens erkennt sie die Güte eines Hotels und wechselt zur Not nicht nur das Zimmer, sondern auch die Stadt für ein ordentliches Nachtquartier, denn keiner der drei befindet sich mehr in dem Alter, in dem man noch bereit wäre, in miesen Hotels miese Nächte zu verbringen. Clemencia verliert mit geradezu leidenschaftlicher Regelmäßigkeit Dinge, und da einem auf Reisen leicht etwas abhanden kommt, versteht es keiner wie sie, Verlorenes wiederzufinden oder den unglücklichen Besitzer über den Verlust hinwegzutrösten. Tatsächlich ist es den dreien in nur neunundzwanzig Tagen gelungen, alle Sonnenschirme und Sonnenbrillen, einen Lippenstift und eine zweireihige Korallenkette zu verlieren. Obendrein die Koffer auf einem der Iberiaflüge und ein Paar Schuhe auf der Insel Lido, und das, ohne sich auch nur einmal einen Seufzer oder eine Träne zu viel zu erlauben. In Udine ließen sie eine
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