Ehemänner
außer der, einen Mann zu finden.
Sie war eine unersättliche Leserin. Ihre Leidenschaft für Bücher ging so weit, dass sie zum Stammgast in sämtlichen Antiquariaten und zur besten Kundin eines Mannes wurde, der um das Jahr 1971 dafür bekannt war, die zuverlässigste Spürnase für Raritäten zu haben.
Montags, bevor sie mit Amanda essen ging, einer Freundin, die sich nicht nur mit ganzem Herzen dem Gesang verschrieben hatte, sondern auch einem einfältigen Kerl, schaute sie regelmäßig bei dem Buchladen im Stadtzentrum vorbei.
Dort lernte sie Mariana kennen, und dort überkam sie auf einmal die Lust, diese Frau auf eine Art zu küssen, die nichts mit dem braven, unter Frauen üblichen Küsschen rechts, Küsschen links zu tun hatte.
Mariana war um die zwanzig, studierte Geschichte und verdiente sich etwas hinzu, indem sie mit dem Moped Kundenbestellungen für Polo ausfuhr. Polo verkaufte alles, egal ob Mängelexemplare, teils mit losen Seiten, Fachliteratur über chinesische Philosophie oder Bücher über die türkische Küche.
An dem Vormittag, als Dolores die Buchhandlung betrat und sie von hinten erspähte, lehnte Mariana über dem Tresen und durchstöberte die Pakete, die Polo ihr bereitgestellt hatte.
Dolores sah ihre zarten Beckenknochen, die unter der melierten Hose hervorstachen, sah ihre Taille unter dem eng anliegenden Hemdchen, sie sah ihren weichen Nacken und ihre zum Pferdeschwanz hochgebundenen Haare und wusste, dass sie einen Schatz gefunden hatte.
Mariana vernahm ihre Schritte, wandte mit einer halben Hüftdrehung den Oberkörper zu ihr um und schaute Dolores an. Allein ihre Gesichtzüge ließen erkennen, wie selbstsicher und entschlossen diese Person durchs Leben ging.
»Wir haben Sie schon erwartet«, sagte sie. »Sie wollten doch eine Erstausgabe von The Alexandria Quartet? Ich habe eine aufgetrieben. Es gibt da eine Familie von Wahnsinnigen, die tatsächlich stückweise die Bibliothek ihrer Mutter verkaufen wollen. Die haben ein Exemplar.«
»Kauf ihnen die ganze Bibliothek ab«, sagte Dolores wie jemand, der alles will.
Mariana bekam für jedes verkaufte Buch, das sie aufgestöbert hatte, eine kleine Provision, doch die Aussicht, die Bibliothek als Ganzes zu retten, erfreute sie mehr als ihr Anteil. Dolores sah ihre freudestrahlenden Augen und hörte ihr zu, wie sie die Hazienda beschrieb, in der Bücherregale mit nach unten öffnenden Türen standen, die unter den Regalbrettern verschwanden, wenn man ein Buch herausnehmen wollte.
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, um sich das Anwesen anzusehen. Das gesamte Haus stand zum Verkauf.
»Wenn du keinen Ehemann hättest, würde ich mit dir hier einziehen«, sagte Mariana, mit wippendem Pferdeschwanz im Kaum auf und ab wandernd.
»Nur um hier zu leben?«, fragte Dolores, plötzlich ganz schüchtern.
»Nur, um mit dir zu leben«, sagte Mariana. »Und glaub mir, ich habe in meinem Leben schon eine ganze Menge Frauen gekannt.«
»Wie lang kann dein Leben schon sein?«, sagte Dolores, die sich mit ihren vierzig Jahren auf einmal wie fünfundsiebzig fühlte.
»So lang, wie zehn Jahre in einem Nonneninternat einem eben werden können.«
»Verdammt lang«, sagte Dolores.
»Ja, verdammt lang«, pflichtete Mariana ihr bei. »Vor allem die letzten drei Jahre. Im dritten Oberschuljahr habe ich mich in eine Klassenkameradin verliebt, die nichts anderes im Sinn hatte, als einen gewissen Manuel zu heiraten, was sie schließlich auch tat, ohne eine Spur von schlechtem Gewissen.«
Dolores hörte Mariana zu und konnte es kaum fassen: Es gab tatsächlich noch eine Art Rettungsanker auf der Welt. Einen Rettungsanker, der zu einem Segelboot mit einer jungen Frau am Bug gehörte. Dreiundzwanzig Jahre jung, mit lebhaften Augen und einer Hand, die sie ihr reichte.
»Ich bin nicht verheiratet«, sagte Dolores.
Der Mann, der ihnen das Haus und die Bücher zeigte, wollte sie auch durch die obere Etage führen. Die drei Zimmer mit Fenstern zum Garten hin waren ausgeräumt, bis auf die Bücherregale. Als sie die Treppe wieder hinabstiegen, Dolores mit der Hand am Geländer, legte Mariana ihr den Arm um die Taille.
Wie konnte ihr das passieren, ihr, der vernünftigen Choreographin, wunderte sich Dolores. Ihr, die zwar unverheiratet war, aber doch keine Lesbe. Eine wandelnde Misanthropin, aber keine Frau, die eine Frau liebte. Eine Intellektuelle, aber keine dieser frivolen Weibsbilder mit Neigungen, die andere für abartig hielten und die ihr jetzt
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