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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angeles Mastretta
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Sonne verschwindet und es wieder kalt wird, herrscht das gleiche alte Entsetzen: Wie kalt es ist, wo es eben noch warm war, so kalt war es ja noch nie!
    Aber keiner rät dazu, einen Heizofen anzuschaffen, denn man ist überzeugt, dass die Kälte allerhöchstens drei Tage lang anhalten werde, und wohin dann mit dem überflüssigen Gerät? Ganz ähnlich verhält es sich mit der Politik: Die meisten glauben, selbst die größte Krise würde doch nicht länger als drei Abende dauern. Also zieht man sich lieber warm an, denkt an etwas Schönes und wartet, bis die Kälte, die die Katastrophenprediger in der Luft verbreiten, sich wieder aufwärmt.
    Glücklicherweise kam es am 30. November im Kongress nicht zum Eklat. Auch bei Alicia passierte nichts. Sie hatte eine Einladung zum Abendessen, aber sie würde nicht hingehen.
    Sie hatte keinen Mann, und ihre Kinder sahen Zeichentrickfilme im Fernsehen. Ihr stand der Sinn danach, mit ihnen die Simpsons zu gucken. Sie fühlte sich nicht in der Lage zu schreiben. Der ganze Krieg draußen lenkte sie zu sehr von ihrem inneren Krieg ab. Auf einmal bekam sie das Elend des Stillstands zu spüren. Sie sollte eine Stellungnahme für die Meinungsseite verfassen, aber wenn sie doch keine Meinung hatte? Sie war ausgelaugt. Sie war übersättigt von der Lektüre unzähliger Erörterungen in der letzten Woche hinsichtlich der Frage, ob der gewählte Präsident vor den Abgeordneten und Senatoren der Kammer erscheinen solle, um sein Missfallen zu äußern. Ob er sich forsch oder zurückhaltend, energisch oder versöhnlich zeigen solle, und ob symbolische Handlungen wichtig seien.
    Am Montag hatte Alicia sie noch für wichtig, ja, für das Allerwichtigste gehalten. Gegen Mittwoch war sie sich schon nicht mehr so sicher gewesen. Ihr Exmann, ein hochgerühmter Interviewer und Kommentator des gesamten Horrorszenarios, so hatte sie gelesen, halte es nicht für nötig, gerade an dem Ort auf die Gesetze zu schwören, wo sie entstehen, es sei belanglos, ob der Präsident sich mit seinesgleichen im Theater unter Applaus treffe. Wie immer war sie nicht seiner Meinung. Wenn sie sich mal nur in solchen Dingen uneinig gewesen wären.
    Warum sind wir eigentlich geschieden? Das fragte sie sich nun. Klar, wegen seiner Freundin. Wie konnte sie das vergessen? Wohl, weil es mit dieser nichtssagenden Dame am Ende nicht geklappt hatte, weshalb es auch nicht mehr von Belang war. Jedenfalls wusste sie, dass er jetzt allein war und hilflos wie sonst kaum jemand.
    Geschiedene Männer wissen nie, wo sie sonntags essen sollen, und oft können sie auch donnerstagabends nirgendwo essen gehen. Insbesondere, wenn sie an dem Tag nicht die Kinder haben. Wenn es kein Geschäftsessen mehr gibt, befällt sie eine seltsame Lustlosigkeit, denn über wen können sie noch schimpfen, wo sie jetzt alles für sich allein haben. So oder ähnlich musste es wohl ihrem Mann ergehen, wie sie von ihren Kindern gehört hatte. Selbst Fußball fand er auf einmal langweilig, wenn da keine Frau war, von der man sich beim Fußballgucken erholen konnte.
    Waren die Kinder bei ihm, ging es ihm ein wenig besser. Dann aßen sie irgendwo Sushi mit Philadelphiakäse, und er erkundigte sich nach dem Befinden ihrer Mutter, woraufhin sie sagten, es gehe ihr gut und wann er denn endlich wieder heimkomme.
    »Mama, die Simpsons!«, rief die Tochter mit der Ungeduld ihrer acht Jahre.
    »Ich komme«, sagte sie und machte den CD-Player aus.
    Man würde noch früh genug erfahren, wie der Präsident und die Abgeordneten am Ende reagierten. Irgendeiner würde schon erklären, was falsch und was richtig war, was es mit der Legalität, dem Trommelwirbel und der Fahne auf sich hatte. Sie wollte jedenfalls die Simpsons gucken, mit ihren Kindern rumgammeln, sich von allem freimachen, lachen, ihr großes Heimatland vergessen und ihr kleines Heim einmal richtig genießen. Ihre Freundin Margara würde eine solche Einstellung verantwortungslos und beschämend finden. Egal. Der Chefredakteur würde in seinem Leitartikel erklären, das bevorstehende Ereignis sei ein einschneidendes Datum für die Nation und die Simpsons eine satirisch verbrämte Werbung für die USA.
    Sollten sie doch reden. Sie wollte blaumachen und auf keinen Fall einen Artikel schreiben. Homer und Bart befanden sich auf Campingtour. Der Präsident müsste vor den Kongress treten. Auf keinen Fall, das wäre mehr als dumm, meinten andere. Meinte ihr Exmann. Und wenn schon? Was nützte es schon, recht zu haben?

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