Ehemänner
Monden eines Tages, als es regnete und zugleich die Sonne schien, einen Vortrag darüber hielt, wie unumstößlich seine Liebe zu ihr sei, woraus sich für ihn die unbedingte Notwendigkeit eines Abschiedes ergebe, seinem Plädoyer lauschte und verstummte. Gegen eine solche Flut von Ausreden blieb ihr nur die Erkenntnis, dass Launenhaftigkeit wohl eher Männersache ist und nicht etwa, wie es immer heißt, typisch weiblich.
Da er um nichts in der Welt aufzuhalten war, ließ sie ihn ziehen. Ja, sie streckte sogar die Hand aus und schob ihn in Richtung Tür. Doch ehe sie mit ansehen musste, wie er sie öffnete, drehte sie sich auf dem Absatz um und kehrte ihm den Rücken. Bloß keine Träne vor diesem Schuft; sie zog sich in ihr Zimmer zurück, um dort zu weinen wie ein Klageweib, und so ging es monatelang. Die Musik und die ergreifenden Boleros, die sie abends durchlebte, waren ein willkommener Vorwand, um zu schluchzen, ohne Erklärungen abgeben zu müssen. Morgens, wenn sie wieder an die Arbeit ging, ihre Proben organisierte, ihre Platten, ihre Reisen und ihre Garderobe, war sie aufs Neue die Königin dieser Welt. Das Leben war kaum dazu da, andauernd Tränen zu vergießen. Amanda erwies sich als eine Frau, die es vermochte, mit einer einzigen Handbewegung die Bühne zu beherrschen. Niemand wäre je auf den Gedanken gekommen, ihre Tränen könnten echt sein.
Eingeweiht war nur Dolores, eine Theaterintendantin, mit der sich Amanda montags zum Essen traf. In ihrer Gegenwart verfluchte Amanda ihn, während sich beide in der obersten Etage eines Hochhauses in der vornehmsten Straße der Stadt betranken.
Manche glauben ja immer noch, Frauen könnten sich nicht organisieren, doch um sich vom Gegenteil zu überzeugen, brauchte man sich nur die beiden anzusehen. Genauer gesagt, sie bei der Arbeit zu beobachten, denn an einem ihrer freien Tage hätte ihnen niemand zugetraut, auch nur eine Tür zu schließen.
Amanda glaubte, solche Dinge würden andernorts entschieden. Dolores hingegen war davon überzeugt, dass jeder selbst für sein Durcheinander verantwortlich ist.
»Pass bloß auf. Das riecht förmlich nach Unglück«, sagte Dolores, der ihre unerschütterliche Hartnäckigkeit in Sachen Männersuche eine gewisse Autorität verlieh.
Doch niemand mag gute Ratschläge beherzigen, wenn sein Blut in Wallung ist. Inzwischen ist Amanda schlauer, jetzt als alte Frau mit ihren Erinnerungen und Gedächtnislücken, jetzt weiß sie, dass jeder Einwand sinnlos war, als sie sich ganz zu Anfang in den Kopf gesetzt hatte, mit diesem Herrn auf Reisen zu gehen, obwohl sie sich noch nie allein getroffen hatten; doch seit seinem Brief, in dem er ihr sein Herz zu Füßen gelegt hatte, war sie ihm hörig wie ein Hund. Sie hatte ihm kurz geantwortet, und von da hatten sie einen regen Briefwechsel geführt über intimste Dinge, als hätten sie diese gemeinsam erlebt. Dieses Spielchen ging eine Weile, bis ihre Sehnsucht nach körperlicher Berührung übermächtig wurde. Es war im April Anfang der Siebziger. Ihre Reise führte sie nach Madrid. Jeder nahm ein eigenes Zimmer im selben Hotel. Doch beide blieben sie in Amandas Zimmer und verließen von dem Moment an das Bett nicht mehr, in dem er eintraf.
Während sie auf ihn wartete, den Mantel noch um die Schultern gehängt, gingen in der Stadt die Lichter an. Sie drückte die Nase an die Scheibe, als wollte sie in die Zukunft blicken. Direkt vor ihrem Fenster befand sich der Wasserspeier einer Kirche; es war eine schreckliche Fratze, aber vollkommen wie die ganze Kirche. Dann streifte Amanda die Schuhe ab, ging zur Tür, ließ ihn ein und schloss sie rasch wieder.
Fünf Tage, ohne ihre vier Wände zu verlassen, und nach dieser Klausur konnte sie gar nicht mehr anders, als zu leben wie jemand, dessen Stunden gezählt sind.
Noch heute beschleicht sie manchmal die Wehmut, wenn sie daran denkt, wie schön sie sich ein paar Monate lang fühlte. »Wie eine kostbare Handstickerei«, sagt sie, und in ihrer Mimik vollzieht sich die Erinnerung, die bei so vielem anderen nicht mehr richtig funktioniert. Sie kehrten mit einer unendlichen Beschwingtheit in den Augen zurück und verbrachten drei Monate wie drei Höhenflüge. Anschließend kam das »lebe wohl« und »ich bete dich an«, und dann raubten ihr die Dämonen der Einsamkeit frühmorgens den Schlaf.
Sie sang nie besser als in der Zeit, und nie wirkten ihre Tränen auf der Bühne überzeugender. An einem dieser Sonntage, an denen sie vor einem
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