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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angeles Mastretta
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gleichzeitig mit den offiziellen Scheidungspapieren. Sie legte das Schreiben beiseite, um sich Dingen zuzuwenden, die fassbarer waren als neun lieblose Buchstaben. Sie durchstöberte eine Mustermappe nach einer neuen Farbe für ihre Polster, und als ihre Wahl auf ein blasses Grün fiel, rief der gute Mann zwei Helfer herbei, die die Möbel anhoben, um sie in die Werkstatt zu bringen.
    Mit diesen Möbelstücken verschwand die Landschaft, die während der letzten zehn Jahre ihr Haus geprägt hatte. Ofelia blickte ihnen hinterher und folgte mit den Augen der Spur der Dinge, die nach und nach aus den Polsterritzen fielen: ein Knopf, zwei Nadeln, ein Füller, der nicht mehr schrieb, Schlüssel, wer weiß woher, eine Theaterkarte für die Bellas Artes, die sie verlegt hatten, weshalb sie die Vorstellung verpassten, ein Brillenbügel, zwei Mandeln und ein rosa Zettel, doppelt gefaltet, den Ofelia ebenso ruhig aufhob wie den restlichen Krimskrams.
    Sie faltete das Papier auseinander. Darauf stand eine Nachricht in großer, krakeliger Schrift mit folgendem Wortlaut: »Liebling, tuh, was du willst, was du am meisten willst, tuh, was du entscheidest, was führ dich am bessten ist, tuh, was deiner Meinung nach führ alle das Besste ist.«
    »Tuh?«, sagte Ofelia mit lauter Stimme. Ihr Mann hatte sie für eine Frau verlassen, die »tuh« schrieb für »tu«, nur weil das »u« lang war? Mit einer Frau, die »das Besste« mit zwei »s« schrieb? Mit einer, die es tatsächlich fertigbrachte, das Pronomen »für« mit dem Verb »führen« zu verwechseln?
    Die Seele besitzt ein feines Empfinden für die Orthographie, und wer es nicht besitzt, kann leben, wo immer es ihm passt.
    Das Formular, das sie unterschreiben sollte, gab Unvereinbarkeit der Charaktere als Grund für die Scheidung an. »Wie wahr«, dachte sie. »Orthographie ist Charakter.« Sie unterschrieb.

Amanda auf dem Mond
    Amanda hat nie einen Ehemann besessen, doch ihre Geschichte mit dem Mann, der sie eine Zeitlang festhielt und dann plötzlich losließ, als verbrennte er sich an ihr, war mindestens so intensiv wie eine Ehe.
    Sie nannte ihn Saldívar, denn sein Name war endlos lang. Kennen gelernt hatte sie ihn im Anschluss an ein Konzert, aber das zu erwähnen hält sie für überflüssig. So wie sie nicht gerne darüber redet, ob seine Haare glatt oder lockig waren, ob seine Stimme, seine Hände … Darüber schweigt sie sich lieber aus, nachdem sie solche Dinge schon zu viele Jahre in ihren Liedern besungen hat, um sich noch mit diesem Kitsch abzugeben. Dennoch schwört sie, dass sie ihn keinen einzigen Tag vergessen hat und ihre Fingerkuppen und ihre Schenkel ihn immer noch spüren.
    Vor dreißig Jahren dachte sie mit der unzulänglichen Skepsis ihrer fünfzig Jahre, all das bis ins hohe Alter auf sich zu nehmen, würde sie niemals ertragen. Damals stürzte sie schon der leiseste Hauch einer Erinnerung in eine enge Schlucht, fern der Hand welchen Gottes auch immer.
    Saldívar war Doktor des Strafrechts, was jedoch nicht weiter von Belang ist, denn die Erinnerung schiebt andere Dinge in den Vordergrund. Amanda hat den Saldívar von damals noch so genau vor Augen, dass sie ihn bisweilen verflucht oder manchmal am liebsten die Luft küssen würde, wenn sie ihn so vor sich stehen sieht und um ihre Liebe betteln.
    Sie hatte nicht lange überlegt, ob es richtig war, jenen Mann zu lieben, sie konnte gar nicht anders. An den regnerischen Juninachmittagen hüpft noch heute etwas in ihrer Erinnerung, und dann befinden sie sich beide wieder lachend in einem Hotelzimmer mit offenem Fenster hoch über den Baumwipfeln, und unten das Wasser: Sogar die Bettlaken rochen nach dem Sommer in jener Stadt. Und alles war so vollkommen, dass er es nicht aushielt.
    Bei manchen führt Glück ja schnell zu Übersättigung, und zu der Sorte gehörte er. Plötzlich bekam er es mit der Angst zu tun und ging einfach fort. Amanda hat nie verstanden, woher diese Panik, es lag ihr fern, irgendwelche Forderungen an ihn zu stellen. Sie war Sängerin und hatte eine Stimme, die jeden Kummer dämpfte, sie war nicht greifbar wie der Mond am Tage, und nie mangelte es ihr an Geld, um sich glücklich zu fühlen. Ihr machte es nichts aus, allein zu leben, da waren ja ihre Freunde, und ihre Welt war weitaus größer, als sie es in einer Ehe je werden könnte. Sie war zufrieden mit einer halben Woche Intensität, obwohl nicht wenige diese Art von Musik fürchten. So kam es, dass Amanda, als er ihr nach fünf

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