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Ehemänner

Ehemänner

Titel: Ehemänner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angeles Mastretta
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kamen.
    »Wer ist eigentlich dieser Señor?«, fragte sie sich, als Saldívar, sonst unabänderlich wie ein Urteilsspruch, auf einmal so viele Facetten aufwies wie die hohe Dichtkunst eines Lope de Vega. Ja, so wäre man glatt versucht, ihn zu behalten. Aber nicht einmal von einem Hund kann man sagen, er gehöre einem, geschweige denn von einem Mann.
    Waren sie nicht zusammen, schickten sie sich kleine Botschaften. Ihre hatten durchaus ihren Charme, doch er schrieb unsägliche Briefe, die mit Dein schlossen. Kaum anders als seine amtlichen Schreiben, die mit hochachtungsvoll endeten. Aber wer weiß. Vielleicht steckte hinter dem Dein nur eine Vermutung, keine Überzeugung. Jeder kann sich mal irren.
    Ein Jahr lang waren sie ständig unterwegs. Im September flogen sie nach New York. Vier Tage lang tranken sie ohne Unterbrechung, mit allen Begleiterscheinungen und Folgen, bis es am letzten Abend war, als hätten sie sich an glühender Asche verletzt und müssten eiligst vor dem fliehen, was sie einmal gewesen waren.
    Eine halbe Stünde vor dem Abschied teilte Saldívar ihr mit, seine Frau und die Kinder würden wieder in Mexiko leben und er mit ihnen.
    Amanda ließ ihn reden, bis sich seine Worte nahtlos in Schweigen verfingen. Sie machte drei Schritte auf die Tür zu und blieb dann auf einem Fuß stehen. Den anderen hob sie an bis auf Handhöhe, zog den Schuh aus und warf ihn so zielgenau, dass er Saldívar mit dem Absatz mitten auf der Stirn traf.
    »Von mir aus kannst du verrecken, aber möglichst sofort«, sagte sie, während sie ein Stück auf dem Teppich zurücklief, um ihren Schuh zu holen. Sie hob ihn auf, schlüpfte wieder hinein und ging zum Fahrstuhl, der sich fast im gleichen Moment, als sie den Knopf drückte, öffnete. Es war einer dieser Fahrstühle im Art-déco-Stil, wo sie sich besser aufgehoben fühlte als in ihrem Unglück. Er war schon von einem japanischen Pärchen besetzt. Amanda grüßte sie mit einem Lächeln. Sie fuhren drei Stockwerke tiefer, wie sie mit Blick auf die Zahlen oberhalb der Tür mitzählte, und dann konnte sie die Tränenflut nicht mehr unterdrücken. Die Japaner blickten sie mit dem ganzen Mitgefühl ihrer Schlitzaugen an. Als sie die Eingangshalle erreichten, fiel Amanda, die sich entschuldigen wollte, nichts Besseres ein, als die Frau zu umarmen, die mit aufgerissenen Augen zurückzuckte. Als Amanda die Japanerin wieder losließ, bedachte diese sie mit einem halb mitleidigen, halb verstörten Lächeln.
    Amanda wollte nicht nachdenken. Sie wusste, wie es um Saldívars Anhänglichkeit bestellt war, tröstete sich mit ein paar Operettenhaften Seufzern und fuhr zum Flughafen, davon überzeugt, dass ihre häufigen Krache mit der besondere Empfindsamkeit und Sentimentalität von Sängerinnen zu erklären seien. Der mexikanische Taxifahrer, mit dem sie sich unweigerlich auf ein intensives Gespräch einließ, meinte allerdings, Kummertränen flössen unterschiedslos in allen Berufen.
    »Das ist nicht zu ändern. Treue ist eine hündische Tugend«, sagte sie. »Er aber ist ein Mann.«
    »Da haben Sie recht«, pflichtete der Taxifahrer ihr bei, der trotz der zwanzig Jahre, die er schon in New York lebte, noch immer kein Englisch sprach, weil er Tag für Tag dachte, er würde gleich morgen nach Mexiko zurückkehren.
    Als sie den Flughafen erreichten, waren sie längst Freunde. Am Terminal bezahlte Amanda für die Fahrt, und der Mann umarmte sie tröstend, während er seinen bei der Fahrt über die erste Brücke begonnenen Vortrag zur Frage der Loyalität zu Ende führte.
    »Treu sein ist nicht das Gleiche wie loyal sein. Er ist Ihnen gegenüber eher loyal.«
    Amanda nickte wenig überzeugt. Dann verabschiedeten sie sich. Das Flugzeug brachte sie heim.
    »Wie war New York?«, wollte Dolores wissen.
    »Dunkel«, sagte Amanda.
    Allmählich fand sie sich mit dem Gedanken ab, dass sie eine Traumtänzerin gewesen war und er undankbar, woraus sich zwangsläufig genau das ergeben musste, was geschehen war: Er hatte alles vergessen, und sie hatte sich mehr eingebildet, als tatsächlich gewesen war. Und doch bewahrte sie dreißig Jahre später immer noch die Briefe auf, zu denen Saldívar fähig gewesen war, als er in der brütenden Hitze eine ganze Menge Unsinn redete. Sie lagen in einem Kästchen bei ihr auf dem Wohnzimmertisch. Dort nahm Amanda sie eines Abends heraus. Sie wollte sie einer Nichte von Dolores zeigen, deren Herz so hin- und hergerissen war wie damals Amandas.
    »Erzähl ihr

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