Ehen in Philippsburg
Cécile jetzt endlich hinaus. Gerade heute konnte er ihn nicht ertragen. Der hatte doch offensichtlich gar nichts zu tun im Laden, war nur so hereingeschlichen, um auch dabeizusein, um sich zu weiden, um etwas zu hören!
Und tatsächlich machte sich Claude auch nicht zum Schein irgendwo zu schaffen. Es war, als biete er seine Hilfe an, wage es aber nicht zu sagen. Und vielleicht um die Stille, die sich jetzt schon so lange zwischen ihnen ausbreitete, ein bißchen aufzulockern, setzte er sich mit einem leichten Sprung auf einen Tisch, schlenkerte mit den Beinen und schaute Benrath und Cécile hilfsbereit und unterwürfig an. Benrath zuckte heftig mit den Schultern. Eine einzige, jähe Bewegung. Dann sah er, daß Claude zu lächeln begann. Der schöne Mund begann zu fließen. Benrath trat rasch auf die Tür zu, riß sie auf, winkte Cécile und trat hinaus, um mit abgewandtem Gesicht zu warten, bis Cécile neben ihm auftauchen würde. Cécile folgte. Beide aber hatten gleich das Gefühl, daß sie nicht lange vor dem Geschäft stehenbleiben konnten. Es kamen zuviel Leute vorbei, die von Benrath in diesen Tagen alles andere erwarteten, als daß er mit der stadtbekannten schönen Kunstgewerblerin auf offener Straße in den Vormittag hineinplauderte. Er verlangte den Schlüssel zu ihrer Wohnung. Cécile zögerte. Benrath schob sich auf sie zu, dann sahen sich beide erschrocken um, ein Herr war freundlich grüßend vorbeigegangen, Céciles Augen hasteten herum, unter der gewölbten Handfläche reichte sie ihm den Schlüssel hin, Benrath bemerkte, daß Claude vom Laden aus zugesehen hatte. Er gestand sich ein, daß er diesem Maler unterlegen war. Er hatte seinem Vorgänger bei Cécile herablassend begegnen wollen. Nicht anschauen, einen Gemeinplatz im Vorbeigehen, aber um Gottes willen keine Aktion, keine Eifersucht wegen dieser einen Nacht – und wie harmlos war die gewesen, Cécile hatte es ihm genau schildern müssen –; aber seit er überhaupt davon wußte, hatte dieser Maler etwas in der Hand gegen ihn. Er machte keinen Gebrauch davon, um so schlimmer, denn dann hätte Benrath ihm entgegentreten können, hätte er ihm seinen Trumpf aus der Hand schlagen können, ihm zu beweisen, wie wenig die Karte wert war, aber der Bursche rührte sich nicht, das war es, der wich aus, machte milde Augen, schürzte den Mund, und Cécile beschützte ihn, erzählte lachend, wieviel Frauen durch des Malers Hände gingen; auch das tat Benrath weh, weil er es nicht ertrug, daß Claude Cécile so leicht verschmerzt hatte, daß es fast aussah, als habe er Cécile verlassen und nicht sie ihn. Cécile war durch diesen Maler eine unter vielen geworden, das verzieh ihm Benrath nicht. Cécile hatte immer nur gelacht, wenn Benrath sich deswegen ereifert hatte. Sie kam sich nicht lädiert vor. Benrath gestand sich auch bisweilen ein, daß er sich Claude gegenüber wie ein Sechzehnjähriger benehme, aber er konnte seiner Ohnmacht der Vergangenheit gegenüber nicht anders Herr werden. Cécile sagte noch: »Sei vorsichtig«, dann drehte sie sich rasch um und ging in den Laden zurück. Würde er es fertigbringen, allein in Céciles Wohnung einzudringen, die Blicke aller Nachbarn auf seinen Schultern über den Gartenweg und die Treppe bis unter die Haustüre zu tragen? Keine himmlische Last! Und dann in den Ohren aller Hausbewohner die Treppen bis zum vierten Stockwerk hinaufzusteigen! Der Bruder einer Köchin in der Klinik hatte in der Straße, in der Cécile wohnte, einen Milch- und Käseladen. Dieser Bruder kannte Benrath, grüßte ihn durch die offene Ladentür, wenn er ihn vorbeigehen sah, erzählte es auch jedesmal seiner Schwester, der Klinikköchin, daß er den Herrn Doktor wieder gesehen habe. Und die Köchin erzählte es – auch sie wahrscheinlich ohne alle Absicht – den Schwestern ja, der Bruder kenne den Herrn Doktor auch, er habe ihn erst gestern wieder gesehen; und dann gab es niemanden mehr, der nicht wußte, daß Benrath am Soundsovielten nachmittags oder abends oder gar nachts in der Stresemannstraße gewesen war, mit oder ohne Wagen, mit dunklem Mantel, aber ohne Hut.
Und wenn je noch eine Unklarheit über Benraths Wege geherrscht hätte, dann wäre rasch Bruder Kleinlein, der Pfleger, herbeigeeilt, hätte gefragt, um was es sich handle, ach, um den Dr. Benrath, na keine Sorge, arbeitete doch sein Sohn in der Garage, in der der Doktor seinen Wagen pflegen ließ! Und ein Reparaturmeister dieser Garage hatte ein Häuschen in der
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