Eheroman (German Edition)
sich das erste Mal lieben. Sie kannte ihn so gut, sie wusste, wie es sich in seinen Armen anfühlt.
«Wann kommt Danilo zurück?», fragt Fadil.
«Heute Abend.»
Fadil sitzt auf der Bettkante und trinkt Kaffee. Ava betrachtet, auf dem Bett liegend, seine Beine. Sie sind kräftig und dunkel behaart. Er ist insgesamt sehr behaart. Er redet weniger, als er es sonst bei ihnen zu Haus tat. Er lacht auch weniger laut. Das Lachen ist aber wieder da. Er rollt Ava im Bett hin und her, aus lauter Freude und Spaß, wie ein Stück Rollbraten, und kichert darüber. Er kneift sie und tröpfelt ihr Kaffee auf die Stirn. Er springt auf und hüpft durch die Wohnung, dann sieht er aus dem Fenster und legt sich wieder hin. Er ist wie eine Feder, immer aufgezogen, immer voller Ideen und zärtlich, zärtlich, wie noch nie ein Mann zu ihr gewesen ist. Nur leidenschaftlich ist er nicht. Vielleicht ist das sein Problem. Vielleicht ist das der Grund, warum er noch keine Frau gefunden hat. Ava ist in Fadils Gegenwart entspannt. Sie liegt gern auf dem Rücken, sieht ihm zu und lächelt.
«Fadil», sagt sie, «im Grunde müssen wir damit aufhören, bevor es schlimmer wird.»
«Schlimmer kann es nicht werden.»
«Doch, wenn Danilo es rausfindet. Und auch, wenn er es nicht rausfindet, dann wird es auch schlimmer.»
«Ich werde mit ihm reden», sagt Fadil, und sie weiß nicht, ob er es ernst meint, denn er lächelt dabei.
«Bist du des Wahnsinns?» Ava richtet sich auf. «Du wirst nicht mit ihm reden!»
«Ich kann Danilo nicht mehr ehrlich in die Augen schauen.»
«Sei nicht so theatralisch. Du bist ein richtiger Türke, bist du, so schwülstig, hach, ‹ehrlich in die Augen schauen›. In Wahrheit lügst du, ohne mit der Wimper zu zucken.»
«Nein», Fadil schüttelt den Kopf, «ich leide.»
Ava lacht. «Du leidest? Du leidest überhaupt nicht.»
«Wie kann ich auch leiden, mit dir?» Fadil zieht sie zu sich heran und küsst sie auf den Hals und auf die Augen.
«Fadil, ich kann nicht Danilo verlassen wegen dir.»
«Warum nicht?»
Ava sieht ihn an. Meint er es ernst? Sie kann es sich nicht vorstellen. «Weil wir das nicht können. Du und ich und Martin und Merve. Stell dir das mal vor. Das geht nicht. Dann wärst du plötzlich da, und Danilo kommt zu Besuch, so wie du sonst zu Besuch kommst. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Da hast du gar nicht das Recht zu, Fadil, wir beide nicht.»
«Und bei einem anderen würde es gehen, ja?»
«Ich weiß es nicht. Einen anderen würde ich nicht kennen wie dich. Er wäre nie in meiner Familie gewesen, und er wäre fremd. Ich würde ihn ganz von vorne kennenlernen und erst später entscheiden, ob er nur mein Geliebter bleibt oder auch meine Kinder kennenlernt.»
«Rede nicht von anderen Geliebten, Ava!»
«Will ich auch nicht. Ich will überhaupt keinen Geliebten, ich wollte nicht einmal dich, Fadil, aber nun ist es so gekommen, und jetzt kann ich nicht damit aufhören, weil ich sonst ganz allein bin.»
«Du bist nicht allein. Du hast Danilo, und du hast die Kinder, du bist überhaupt nicht allein.»
«Ich weiß, aber manchmal kommt es mir so vor. Ich weiß es auch nicht.»
Die Gespräche zwischen ihnen drehen sich im Kreis, es geht um das Ende ihrer Affäre, die doch vor anderthalb Wochen erst begann. Aber in Fadils Bett ist es so weich und so warm. Sie schiebt es alles auf und legt sich noch einmal zurück.
Danilo zieht sein weißes Hemd aus und wirft es auf den Boden zu seinen zusammengerollten Socken. Er zieht seine Hose aus und wirft sie auf den Boden zu seinem Hemd und den zusammengerollten Socken. Ava hält die Seiten des Theaterstücks mit beiden Händen fest und beobachtet Danilo aus den Augenwinkeln. Sein Körper ist schlanker als der von Fadil und weniger behaart. Sie kennt Danilos Körper so gut wie den ihrer Kinder, wie ihren eigenen. Besser sogar. Sie kennt seinen Rücken, jeden einzelnen Leberfleck, die rauen Stellen an den Ellenbogen, die Grübchen über seinem Po. Die Grübchen haben sie immer gerührt. Jetzt rührt sie nichts mehr. Sie achtet darauf, Danilo während des Schlafs nicht zu nahe zu kommen, selbst während des Schlafs achtet sie auf Abstand. Danilo ist es recht. Er ist tief in sein eigenes Leben eingestiegen. Er redet weniger mit den Kindern. Er redet weniger mit ihr. Er sitzt in seinem Zimmer und denkt an anderes. An den Wahnsinn in der Kunst, an den kastrierten Mann in der Pose des einsam gebärenden Künstlers, an die Wut in der
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