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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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Lampe).

    «Der Schluss ist irgendwie schwach, oder?», sagt Ava.
    Merve zuckt mit den Schultern.
    «Wieso verschenkt irgendeine Frau die Lampe, und was soll das überhaupt dann für eine Bedeutung haben, mit dem Fensterputzer?»
    «Das bedeutet nichts, das bedeutet, dass es gar nichts bedeutet. Es ist nur eine doofe Lampe und nichts weiter», sagt Merve.
    Sie parken in der Einfahrt zu Barbaras Haus, sie hat das Tor elektrisch geöffnet, und fahren die kleine, kiesbestreute Auffahrt auf zwei betonierten Fahrspuren bis an die Wand neben das Haus. Dann schließt sich das Tor wieder.

    «Wo ist denn Jacqueline?», fragt Ava, als sie zu dritt im rosa Zimmer auf dem Boden sitzen und Wein schlürfen, während ein schräger Strahl Sonne aus dem Garten ihre Gesichter wärmt. Der Garten ist matschig und dunkel geworden. Die verfaulten Blätter wurden nicht entfernt. Der Garten wird wohl kaum mal bearbeitet und scheint die Frauen nicht zu interessieren.
    «Jacqueline ist nicht mehr dabei», eröffnet ihnen Barbara. Sie trägt ein schwingendes blaues Kleid mit Stickereien am Ausschnitt und an den Ärmeln.
    «Warum denn nicht?», fragt Ava.
    «Es ist wegen der Lampe.»
    «Wegen der Lampe? Aus dem Stück die Lampe?»
    Barbara zuckt mit den Schultern. «Ich hätte es ihr sagen sollen, aber sie hat sie nie vermisst und ich fand ihn einen netten Mann.»
    «Wen?»
    «Den Fensterputzer. Er war ein netter Mann. Gebildet und mit Manieren. Und darauf kommt es doch an im Leben, oder?»
    «Der Fensterputzer? Ich dachte, es wäre ein Theaterstück, aber nun ist es auch noch echtes Leben. Heavy ist das», sagt Merve und setzt sich in den Schneidersitz.
    «Vielleicht können wir sie umstimmen, denn wir sind ja schon so zu wenig. Und jetzt sind wir dann noch weniger», sagt Ava.
    Barbara zuckt wieder mit den Schultern und scheint dieses Mal etwas unentschlossen und wenig überzeugt von der ganzen Sache zu sein. Vielleicht ist der Streit noch über den Fensterputzer hinausgegangen, und wenn Ava sich das alles in Erinnerung ruft, ist der Teil mit dem Fensterputzer noch der am wenigsten heikle, wenn es sich um eine Familiengeschichte handelt. Wenn es sich um eine echte Familiengeschichte handelt.
    «Isch lasse misch nischt umstimmen», sagt Jacqueline, die plötzlich im Raum steht, als wäre sie hineingezaubert worden.
    «Hast du gelauscht?», fragt Barbara.
    «Sie stiehlt meine Lampe, sie zieht meinen eigenen Vater in den Dreck, was soll isch dazu sagen? Wie soll isch mit diesen Bos’aftichkeit umgehen?»
    Ava und Merve starren Jacqueline an, und Ava denkt an Fadil und daran, wie es jetzt alles ist, so schwierig und gleichzeitig so normal, als wäre es schon immer so gewesen und sie hätte schon immer mit Fadil in seinem weichen Bett gelegen und an seinem silbernen Tisch unter dem schrägen Fenster in Hoheluft gefrühstückt. Als hätte sie immer schon mit Jacqueline und Barbara über das Stück ihres Lebens gestritten und goldenen Wein auf einem weißen Teppich getrunken, in einer weißen Villa, während draußen der wilde Garten verfault. Aber die Kinder bekommen täglich neue Schuhe und lernen täglich neue Worte, die Miete ist gestiegen, und ihr erster Patient, der stolpernde, stotternde Erwin Bode aus der Stresemannstraße, ist letzte Woche gestorben, trotz der Pflege und der Mühe, trotz ihrer guten Vorsätze und all der Anstrengung. Er muss nicht mehr von ihr beim Essen beobachtet und zum Park hinter Lidl geschleppt werden, er muss gar nichts mehr. Danilo arbeitet stumm und verreist viel. Er lebt in seinem eigenen Fleiß und trägt jetzt modischere Kleidung. Alles bleibt vertraut und ändert sich doch langsam und unaufhaltsam. Auf der Terrasse vor der Flügeltür liegt ein Vogel, wie ein Häufchen schwarzen, matschigen Laubs. Die matte Spätherbstsonne wärmt sinnlos seinen toten Bauch.
    Ava kippt den Rotwein hinunter und lässt sich ein zweites Glas nachschenken. «Wir brauchen dringend einen Mann», sagt sie und hat das Gefühl, jetzt alles in ihre Hand nehmen zu müssen, «Jacqueline, es ist ein gutes Stück, und ich verstehe, dass es dich kränkt, aber falls du noch mitmachst, was ich sehr begrüßen würde, dann brauchen wir noch mindestens einen Mann.» Sie schweigt einen Moment und freut sich darüber, dass sie «was ich sehr begrüßen würde» gesagt hat, weil es gut klingt, weil sie langsam dazulernt in ihrem Leben. Dann sagt sie: «Ich kenne einen, er wohnt in der Nähe und sieht gut aus, er hat genau das richtige Alter, und

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