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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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Johnny ist es nicht gut, für dich ist es nicht gut, was ist dann überhaupt gut?», fragt Ava.
    «Das kannst du nicht wissen, weil du nicht ich bist. Ich liebe ihn einfach. Ich liebe ihn immer wieder von vorne, immer wenn er kommt, bin ich neu verliebt. Du kannst dich vielleicht nicht erinnern, wie das ist, wenn man verliebt ist. Denk mal daran. Wenn man verliebt ist, dann blendet man fast alles aus, das ganze Schlechte. Dann ist man einfach nur froh. Und das bin ich nur richtig so mit Maiki. Ehrlich, Ava, ich tauge nicht für eine Familie, so wie du, ich kann das nicht. So habe ich eben manchmal meine Traurigkeit, aber dann habe ich auch wieder das Glück. Das ist mir recht so.»
    Ava trinkt den Rest von ihrem Glas aus. «Meinst du, ich tauge für eine Familie, Merve?»
    Merve nickt. «Tust du doch.»
    Ava schüttelt langsam den Kopf. «Ich weiß es nicht, ich bin so neidisch auf dich, gerade. Ganz ehrlich. Ich hasse den Typen, weil er dich so verrückt macht, aber gleichzeitig bin ich auch neidisch.»
    «Weshalb?»
    «Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht genau sagen, aber wenn das so weitergeht, mit meiner Einsamkeit, dann werde ich noch verrückt.»
    «Du bist doch nicht einsam.»
    «Doch. Ich bin sehr einsam», sagt Ava und bestellt den nächsten Cocktail und wird langsam richtig schön betrunken. Alles, was dieses Gespräch bringen sollte, war gekippt, war in eine andere Richtung gekippt und hatte ihr eigenes Denken woanders hingeführt und sie traurig gemacht. Am Ende machte nicht Merve alles verkehrt, sondern sie. Denn wenn sie nicht selbst alles verkehrt machte, wieso war dann Merve jetzt glücklich und großzügig und Ava so unglücklich und missgünstig? Menschen, die anderen Menschen sagen, dass sie alles verkehrt machen, und selber dabei keinen Plan für ihr Glücklichsein haben, was sind das für Menschen? Klugscheißer?

    Die Mummi sitzt auf einem Schaukelstuhl, der so breit ist wie ihr Hintern. Irgendwann, denkt Ava, hat sie aufgehört, dicker zu werden. Wäre sie von Anfang an schlank gewesen, dann wäre sie jetzt immer noch schlank. Der Schaukelstuhl ächzt unter ihrem Gewicht, sie hat ihre Pantoletten von den Füßen fallen lassen, und ihre rosa lackierten Nägel glänzen in der Sonne an ihren braunen, von bläulichen Adern durchzogenen Beinen wie Plastikperlen an der Hand eines kleinen Mädchens. Das Rosa in dem wulstigen Braun ihrer ledernen Füße, ihrer breitgetretenen Füße, deren Elefantenhaut sich am Übergang zum Bein in kleine, dunkle Falten legt, zerreißt Ava das Herz. «Mummi, seit wann lackierst du deine Nägel?», fragt sie. Die Mummi hat immer Mühe gehabt, an ihre Nägel überhaupt heranzukommen. Sie hatte gestöhnt und gekeucht, wenn sie sich zu ihren von der Gartenarbeit verschmutzten Füßen bückte, um die Nägel mit der kleinen lila Handbürste zu scheuern.
    «Ich gehe zur Fußpflege», sagt die Mummi stolz und lächelt. «Wir haben jetzt eine Fußpflege, hinten bei Riethmüllers, hinter der Werkstatt vom Jochen, da hat sich die kleine Elvi ein Nagelstudio aufgebaut. Es ist ganz hübsch da. Und sie macht es günstig.»
    Die Nägel der Mummi sind perfekt gefeilt und lackiert. Die Mummi sieht im Ganzen gesehen ordentlich und frisch aus. Auch ihr Haar ist gefärbt, die Ansätze nachgefärbt, die Haut ihres Gesichtes schimmert frisch eingecremt, und nur wenige, grobe Falten durchkreuzen ihre lieben Gesichtszüge. Die Mummi ist nicht der Typ, dem ein Netz feinverästelter Fältchen im Gesicht erwächst, die Mummi ist ein Typ derber, sauberer Haut, gut durchblutet und straff vor allem.
    «Ich glaube, ich habe ein wenig abgenommen», sagt sie und wischt sich mit einem feuchten Lappen über die Stirn, die in der Sonne glänzt wie gewachst.
    «Geh doch endlich aus der Sonne», sagt Ava, die selbst unter einem gelb-blau gestreiften, stark verblichenen Sonnenschirm auf einem Plastikstuhl sitzt, und starrt verstohlen auf den Bauchspeck der Mummi, um herauszufinden, ob sie das verlorene Gewicht übersehen hat.
    «Warum soll ich aus der Sonne gehen?», sagt die Mummi und legt den weißen Frotteelappen auf den Rand ihres Schaukelstuhls. Tropfen fallen auf den gefliesten Terrassenboden und trocknen fast sofort auf dem heißen Stein.
    «Wie kommt das?», fragt Ava, als hätte sie die Frage jetzt erst verstanden.
    Aber die Mummi winkt ab, leicht verärgert über Avas spätes Begreifen oder ihre Ignoranz oder weil sie sich wahrscheinlich schämt wegen ihrer Eitelkeit. Es ist nicht ihre Art,

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