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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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als wäre Essen eine Arbeit. Hat ihm jemand geraten, seine Speisen stets sorgfältig zu zerkauen, der Gesundheit halber? Er lebt so vernünftig, isst sogar vernünftig. Ekel wallt in ihr auf vor so viel Pragmatismus. Sie mag ihn nicht ansehen, während er kaut.
    «Deine Mutter auch. Als ich sie das erste Mal sah, ich weiß noch, wie ich alle beide doch – recht merkwürdig fand. Wirklich. Das ist nichts Neues, Ava. Da wundere dich jetzt mal nicht. Es ist nur, weil du mehr Abstand hast, mit deinen eigenen Kindern. Jetzt siehst du deine Eltern mal, wie sie wirklich sind. Jetzt hast du endlich ein unverkrampftes Verhältnis zu ihnen.»
    «Was? Ich hatte immer ein unverkrampftes Verhältnis zu meinen Eltern. Wie kommst du darauf, dass ich ein verkrampftes Verhältnis zu meinen Eltern hatte?»
    Danilo zieht seine Augenbrauen hoch, sodass sich die Stirn oben zusammenrunzelt, sie kennt diesen Blick, er atmet einmal tief durch, dann sagt er, wie dozierend: «Im Grunde gierst du immer noch nach Anerkennung von deinem Vater, im Grunde glaubst du doch, du hast ihn enttäuscht, weil du keine Künstlerin geworden bist und nichts Besonderes, sondern nur eine Krankenschwester, die alte Leute pflegt. Das tut mir leid, Avi, aber es ist nun mal so. Und leider konntest du es deiner Mutter auch nicht recht machen, denn du hast es zu keinem eigenen Haus gebracht, du hast keinen netten Mann, der ihre Regenrinne repariert oder ihr die Bäume beschneidet, so wie Petras Mann. Du ziehst immer noch mit deinen komischen Freundinnen rum, die Angst haben vorm Älterwerden, und schaffst es nicht, eine verantwortungsvolle, erwachsene Frau zu werden. Das sieht man schon an deiner Figur, kein Gramm mehr in den letzten zwanzig Jahren. Wie soll das deine Mutter nicht enttäuschen.»
    Ava starrt Danilo an. Danilo hat fertig gekaut. Er fühlt sich wohl, und er fühlt sich sicher. Sie denkt daran, dass manche Menschen ihre Lebensgefährten umbringen. Sie denkt aber gleichzeitig, dass es sie trifft, weil es wahr ist, teilweise und wenn man alle Umstände sehr dunkel gefärbt betrachtet. Der Kühlschrank springt an, das Summen und der schwächer werdende Verkehr erinnern sie daran, dass es spät ist und daran, dass sie nun weiß, was ihre Antwort auf Danilos Anschlag ist. Sie stellt das leere Glas in den Geschirrspüler, sie läuft ins Wohnzimmer und kehrt zurück mit Josip Androsevich. Sie setzt ihn auf den Stuhl, auf dem sie eben saß und sagt: «Du meinst also, ich hätte ein verkrampftes Verhältnis zu meinen Eltern, ja?»
    Dann geht sie einfach, denn mehr muss sie nun nicht dazu sagen. Ihre Bosheit hängt ihr nach, ihr Vergehen scheint ihr schwerer als seines, er ist um Wahrheit bemüht gewesen, sie nur auf Rache aus gewesen. Aber dennoch fühlt sie sich im Recht.

    «Du hast es also getan?», fragt Beate fast vergnügt.
    Ava nickt.
    «Iiieh!», sagt Beate.
    Ava lächelt, weil es Beate ist, die das sagt. «Das ist nicht Iiieh, du Dumme.»
    «Iiieh, so ein alter Sack!», wiederholt Beate ihre Ansicht.
    Beates Ekel kränkt Ava nicht. Wäre es jemand anderes und hätte auch weniger deutlich geäußert, wie er es findet, dass Ava mit einem Siebzigjährigen geschlafen hat, dann wäre sie gekränkt gewesen. «Das Alter an sich spielt doch gar keine Rolle, wenn man jemanden gut findet», sagt Ava.
    Beate grinst. «Und wie er aussieht, spielt auch keine Rolle, was?»
    «Er sieht gut aus! Merve findet auch, dass er gut aussieht.»
    «Von außen vielleicht, aber wenn er sich auszieht, ganz ehrlich, wenn er sich auszieht, dann sieht er aus wie siebzig, oder?»
    Beates glattes, sonnengebräuntes Gesicht öffnet sich in eine kindlich dumme Erwartung, in ein freudiges Leuchten hinein, sie hält ein in dem rostigen, kleinen Brötchengrill aufgebackenes Brötchen mit Kirschmarmelade in der Hand, die dicke Butter tropft vom Rand des heißen Brötchens auf ihren geöffneten Handteller, und alles an ihr ist arglos. Beate ist in ein rosa Leinenkleid gewickelt, rosa Bänder drücken sich geknotet in die weiche linke Seite ihrer Hüften. An ihren braunen Armen hängen glitzernde, billige Armreifen, die leise funkelnde, silbrige Klänge erzeugen, die Ava immer milde stimmen, wie der ganze glimmende Schmuck an Beate sie milde stimmt und immer wieder aufs Neue den Wunsch in ihr erweckt, sie an sich zu drücken wie ein armes, billiges Püppchen. Aber Beate ist nicht arm. Beate schlürft ihren Kaffee und beißt in ihr Brötchen, immer noch wartend auf die Argumente, die für

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