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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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Käsekuchen hereinkommt. «Der ist ganz lecker», sagt sie, stellt ihn auf den Tisch, verliert dabei Ava nicht aus den glänzenden Augen und fügt hinzu: «Ich mag diesen hier am allerliebsten.» Dann wirft sie einen ebenso liebevollen Blick auf Fadil und huscht, mit ihrem eigenen Becher Kaffee in der Hand, wieder hinaus.
    «Heilke ist wirklich nett», sagt Ava und fragt sich im selben Moment, wie oft sie diesen dummen Satz schon gesagt hat.
    «Ja», seufzt Fadil und schneidet den Kuchen an.
    «Danilo geht es wie immer», sagt Ava. «Er macht so seine Sachen.»
    Fadil nickt. «Und mit euch?»
    Ava zuckt mit den Schultern. Mehr weiß sie nicht. Mehr weiß sie dazu wirklich nicht mehr. «Ich schlafe jetzt im Gästezimmer, weil Danilo so schnarcht.» Die Wahrheit ist, dass sie das Schnarchen von Danilo kaum hört, weil Danilo nur selten und sehr sanft schnarcht. Die Wahrheit ist, dass sie es nicht mehr erträgt, wie er seine Socken zusammendreht und auf den Boden wirft, dass sie es nicht mehr erträgt, wie er die Decke um seinen Körper schlingt und wie er dann die Seiten seiner Zeitschriften umblättert, wie er leise Sätze als Kommentar durch die Nase pfeift, als würde sie das interessieren und als würde es ihn selbst nicht die Bohne interessieren, ob sie das interessiert, wie er dann, wenn er am Einschlafen ist, erst noch schnauft und sich hin und her wirft und manchmal leise furzt, und wie sie am Ende nicht einmal seinen leise und gleichmäßig summenden Atem erträgt und Hass sogar auf seinen Schlaf empfindet.
    Aber das kann sie nicht sagen, das ist, alles in allem, bösartig.
    Fadil zuckt mit den Schultern. «Das ist ja egal», sagt er. «Meine Eltern hatten auch immer getrennte Schlafzimmer. Das Zusammenschlafen ist doch eine altmodische Sache. Das ist doch praktisch ein Zwang, zusammen zu sein, wenn man gar nichts davon hat, weil man ja schläft.»
    Ava nickt. «Aber eigentlich ist es auch viel komplizierter, und ich weiß gar nicht mehr genau, was mit mir los ist und was ich machen soll.»
    «Hast du eine Krise?», fragt Fadil, und die Kuchenstücke warten immer noch unberührt auf ihren Tellern.
    Ava nickt, muss aber auch wider Willen ein wenig kichern. «Gib mir doch von deinen Pillen, Fadil.»
    Fadil schweigt und starrt auf seinen Kuchen. Dann gibt er sich einen Ruck, nimmt den Löffel in die Hand und schaufelt sich konzentriert das Stück glänzend gelben Käsekuchens in den Mund. Als er aufgegessen hat, schneidet er sich ein zweites Stück ab und gießt zwischendurch den dunklen Kaffee in seinen Mund. Ava fängt schließlich auch ihr Stück an und ist überrascht. Der Kuchen schmeckt saftig und etwas vanillig und trotzdem würzig und als wäre eine Spur Salz in ihm. Sie trinkt ihren Kaffee dazu, dann nimmt sie wieder vom Kuchen und der Zauber wiederholt sich. Der Boden ist leicht geröstet und knusprig. Es ist ein einfacher und ehrlicher und perfekt komponierter Käsekuchen.
    «Ihr habt ja auch die Kinder», sagt Fadil schließlich, als hätte sie etwas von Trennung gesagt. Und da steht es wieder im Raum, wie es an jeder Stelle dieses Raums zu stehen scheint, wenn sie ihn betritt, als würde es um sie herumschwirren und sich ausbreiten und alle in diese sumpfige Mischung von Unentschlossenheit und Verletztheit und Angst hineinziehen.

    An einem fahlen Tag Anfang Oktober, die Sonne schimmert weiß durch die dünnen Wolken wie eine ferne, kalte Lampe durch eine flusige graue Decke, fährt Ava Danilo zum Flughafen. Danilo hat seinen glänzenden, dunkelblauen Koffer gepackt und einen Aufkleber von Sonic Youth auf den Koffer geklebt, weil der Koffer nach was aussehen soll und nicht nur nach neu. Es hätte sie nicht gewundert, wenn er den Koffer auf den Gehwegplatten draußen vorm Haus zerschrammt hätte. Danilos Art, sich Dinge anzueignen, sie zu einem Teil von sich zu machen, indem er ihnen noch eine andere Bedeutung gibt, eine über die bloße Funktion hinausgehende, auf sich selbst weisende, von den entsprechenden Leuten zu entziffernde Art und Weise, macht sie aggressiv. Sie selbst freut sich immer auf eine kindliche Art über die Neuheit von Gegenständen, sie hätte versucht, die glänzende Oberfläche ihres Koffers lange zu erhalten, und sie hätte ihn selbst dann, wenn erste Abnutzungserscheinungen an ihm zum Vorschein gekommen wären, noch einige Zeit als neu und losgelöst von den Spuren auf seinem Körper angesehen, als könnte seine Unberührtheit durch diese liebevolle Sicht erhalten bleiben.

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