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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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es nirgends klemmt.»
    Das tut es wirklich nicht, es bauscht sich im Luftzug ihrer Schritte um ihren Körper wie ein Fallschirm, wie eine Tulpe oder eben wie ein orangefarbener Sack.
    Die Mutter nimmt die Glaskanne von der Kaffeemaschine und gießt den Kaffee in die weißgoldene Porzellankanne um. «Erst mal Kaffee», sagt sie.
    Ava und Andreas gehen ins Wohnzimmer, wo der Vater gerade den Tisch deckt. Er gibt Andreas die Hand und sagt: «Aha.»
    «Andreas Balzer», sagt Andreas.
    «Vater von Ava», sagt der Vater.
    «Frank, du hast wohl noch einen Namen», zischt die Mutter mit der Kanne in der Hand.
    «Ja, klar. Sag ich doch. Frank Grünebach.»
    «Es freut mich, dass Sie mich eingeladen haben.»
    «Uns auch», sagt der Vater. «Uns auch.»
    «Ich schenk mal ein», sagt die Mutter.
    Sie sitzen auf dem lila-braun gemusterten Sofa, die Tassen und den Kirschkuchen vor sich, und trinken und essen. Es gibt Schlagsahne in einer kleinen weißen Schüssel. Die Eltern haben den Esstisch gerade im schwedischen Bettenhaus gekauft, fichtenblass und die Astlöcher braune Augen, die Beine etwas nach außen gedreht, in der Mitte ein rosa Läufer mit Rosenstickerei, ein Teelicht in einer Glasblüte, im staubigen Sonnenkegel vom Fenster ist kaum das weiße Flämmchen zu erkennen.
    «Gehen Sie auch zum Fest?», fragt Andreas.
    Der Vater sieht auf, dicke Krümel kleben an seiner Lippe. Er bemüht sich nicht im mindesten runterzukauen. Er redet mit vollem Mund, während zwei, drei Krümel seinem Mund entfallen. Irgendwie freut das Ava, dass sich der Vater Andreas gegenüber so gleichgültig verhält, obwohl sie sich darüber wundert. Sie sollte sich für die Eltern schämen, sie hätte gedacht, dass sie das tun würde, vorher, aber nun wünscht sie sich eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber Andreas, weil er es hier urig finden will, was für ein bescheuertes Wort, dann soll er es auch so kriegen, urig.
    «Aber sicher. Friederike hat sich extra ein Kleid genäht.»
    Ava sieht die Mutter an. Jetzt tut es ihr leid, das mit dem Kleid. Sie hätte was Netteres sagen können. Wenn die Mummi sich tatsächlich hingesetzt und ein Kleid für das Sommerfest genäht hat, um hübsch zu sein, orange hübsch mit Kette, das ist irgendwie so traurig, so aussichtslos. Dass sie das macht.
    «Ist doch schön, Ava, oder?», sagt der Vater, immer noch mit Kuchen im Gesicht, und legt strahlend den Kopf schief. «Hübsche Farbe auch. Macht richtig eine gute Figur.»
    Ava nickt. Gute Figur. Wie soll irgendwas eine gute Figur für die Mutter machen.
    «Siehst du, ich hab es dir doch gesagt», sagt der Vater zur Mutter, und zu Ava gewandt: «Sie denkt, es sieht selbstgenäht aus. Sieht es doch nicht, oder?»
    Ava schüttelt den Kopf. Sie sucht nach Worten und Argumenten für dieses sackartige, orangefarbene Teil. Ihr fällt nichts ein. Ihr fällt einfach nichts ein. Sie schüttelt wieder den Kopf. «Sieht toll aus», sagt sie schließlich, ohne vom Kuchen aufzublicken, «auch der Stoff, so luftig irgendwie.»
    Die Mutter will nicht merken, wie Ava das Kleid wirklich gefällt, sie sieht bescheiden auf den Teller und isst ein drittes Stück Kirschkuchen mit einem dicken Klumpen zu hart geschlagener Schlagsahne. Ava hat die Stücke mitgezählt, und auch das freut sie, dass die Mutter mal wieder reinhaut, als wäre es ihr egal, sonst hat Ava das immer geärgert, aber heute freut es sie, weil es was Störrisches hat, wie die Eltern sind. Und sich nicht dem arroganten Besuch zuliebe benehmen.

    Markus ist beim Sommerfest der DJ. Er hat seine dicke schwarze Stereoanlage auf einem wachstuchbespannten Tisch aus Petras Wäschezimmer aufgebaut. Das Wachstuch ist rot und mit goldenen Sternen bedruckt, es ist eigentlich eine Weihnachtsdecke, aber es passt zu Disco, meint Markus. Markus spielt die Oldies, die er immer spielt, «I’m your yesterday man», hält dazu ein Beck’s in der Hand und lächelt und ist glücklich über sich und alles. Sein Haar ist igelartig gegelt, jedenfalls vornerum, hinten fällt es fluffig geföhnt über sein dunkelblaues Hemd, und um seinen Hals hängt eine Mickymauskrawatte. «Avi», ruft er.
    «Markus.»
    «Dein Freund?» Er streckt strahlend die freie Hand aus, und Andreas ergreift sie. «I’m the Markus», sagt er und gleich hinterher: «Bier?», und Andreas nickt. Obwohl er sonst lieber Wein trinkt, weiß Ava. Aber Wein gibt es hier nicht, nicht bei Markus. Wein ist für Rinderbraten und für Frauen.
    «Ich mach Mucke, und später

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