Eheroman (German Edition)
rumpusselt und Ava am ehesten antrifft, während seine Frau bis zwanzig Uhr bei Neukauf Supper & Hamann Gurken auspackt, hat dann auch, angestubst von seiner Frau, das Thema zur Sprache gebracht.
«Es ist nun mal so, wir wissen ja, wie das ist …» Er wischt sich mit dem Ärmel über die schwitzige Nase, sieht auf den Boden und schmunzelt dann und spitzt seine schmalen Lippen. «Aber hier, in der kleinen Wohnung, ist es doch man schlecht, wenn hier Intimverkehr vollzogen wird.»
«Was?» Ava starrt auf seine schwitzige Nase, Perlen auf den riesigen Poren des breiten, glänzenden Nasenrückens.
«Wir waren auch mal jung», fährt er fort, «aber es geht doch nicht, dass das hier stattfindet, weil es doch alles eng beieinander … und meine Frau», Blick zu Astrid Schultetee, die ein ebensolches Schmunzeln aufsetzt, «die hätte doch lieber, wenn sich keine Männer hier im Haus befinden.» Er seufzt tief auf. «Außer mir», setzt er dann noch hinzu und zwinkert.
Ava nickt. Was soll sie dazu sagen. Ein Mann ist zu diesem Zeitpunkt auch nicht in Aussicht. Was also sich Gedanken machen. Zu den Schultetees würde sie sowieso niemals einen Mann mitnehmen, in diese fußstinkende Diele, durch den Perlenvorhang neben dem muschelverzierten Spiegel, hoch in ihre Puppenstube, auf den Pappboden, zwischen die Pappwände ihres Zimmers, niemals.
«Ist doch klar», sagt sie daher und nimmt ihre Klamotten und zieht ein.
Mit Assiarzt Andreas schläft sie deshalb bei ihm. In seinem denkmalgeschützten Haus, in dessen Zimmern die Decken so niedrig sind, dass sie mit der Hand ranreicht. Andreas kocht manchmal vorher Spaghetti bolognese oder Lasagne, er ist ein Freund der italienischen Küche. Sie hilft ihm und schneidet Sellerie und Knoblauch klein, sie sieht, wie er das kleingeschnittene Gemüse in den dampfenden Sud kippt, und sein Haar steht verschwitzt vom Kopf ab, weil er sich immer drüberstreicht, und berührt dabei fast die Decke. Seine Haarspitzen könnten kleine fettige Streifspuren an der Decke hinterlassen, überlegt sie sich und hält danach Ausschau. Aber es ist nicht besonders hell, trotz der Strahler, die er in die Decke montiert hat. Die Strahler bestrahlen genau drei Punkte der oberen Wände, dazwischen bleibt es dunkel.
«Mausel, wollen wir kuscheln gehen?», fragt Andreas.
Mit kuscheln meint er bumsen, aber er kann Sachen einfach nicht so aussprechen, wie sie heißen.
Während sie sich auszieht und die Bolognese in der Küche leise vor sich hin blubbert, denkt sie, dass das alles jetzt schon so gewöhnlich ist, als wäre das Kochen und das Bumsen von gleicher Bedeutung. Vielleicht ist es das? Vielleicht ist es immer so, in allen Beziehungen, und nur in Filmen sieht es so aus, als wäre es eine wahnsinnsspannende Sache.
«Bist du fertig?»
«Ja. Kannst jetzt.»
«Au. Au. Au.»
Danach liegt Andreas auf dem Bett und atmet und streichelt ihren Arm oder Bauch und sagt: «Mausel, du bist so gut, Mausel.»
Sie fragt sich, wieso. Sie macht doch gar nichts. Sie selbst findet, sie sei schlecht. Aber sie kann nichts dafür. Sie macht es genau so, dass sie kommt, dann lässt sie ihn, und das war’s. Fertig. Aus. Geht relativ schnell. Kann man locker Bolognese bei kochen. Sie haben Erfahrung mit Bolognese und zwischendrin ficken. Dann essen, fernsehen und nach Hause. Sie bleibt selten bei ihm. Das ist doof mit aufstehen und Schicht bei ihm, und morgens riecht er immer so. Und sie sicher auch, und er ist mürrisch und sie auch. Sie nimmt meist das dicke silberne Fahrrad von Frau Schultetee, die gesagt hat, sie soll es immer nehmen, besonders nachts, das Licht geht auch, und fährt nach Haus. Im blassen Licht der Nacht ist sie froh, dass sie in ihr kleines grünes Zimmer fährt.
Nach ihrem achtzehnten Geburtstag wird Andreas etwas offener, was ihre Beziehung angeht. Er gibt ihr in der Öffentlichkeit Küsschen, er bleibt im Krankenhaus stehen und redet mit ihr und lächelt sie an, und alle im Krankenhaus wissen sowieso, was los ist. Schon vorher, aber nun ist es offensichtlich. Er ist in sie verliebt. Im Großen und Ganzen ist auch Ava seine erste richtige Beziehung. Er hat noch nicht viele Frauen gehabt, hat er ihr gestanden, er war immer zu schüchtern und zu sehr am Rande von allem gewesen. Ava ist froh über Andreas. Sie ist froh über sein Kochen und sein Zuhören, über seinen sozialen Stand im Krankenhaus, dass sie nun auch dazugehört, zu allem, und jetzt auch Sex hat wie alle anderen. Der Sex ist okay.
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