Eheroman (German Edition)
Fenster auf den grauen Bürgersteig. «Es ist meine Wohnung, Danilo. Vielleicht will ich eine Katze haben, auch wenn es dir nicht passt. Vielleicht will ich so manches haben, was dir nicht passt. Vielleicht auch Leute, die dir nicht passen.»
«Ach so», sagt Danilo und zündet sich eine Zigarette an und sieht fern und hört ihr nicht mehr zu. Sie betrachtet ihn, wie er nackt auf dem Bett liegt, sein langer, arroganter Körper, dicht und dunkel behaart wie sein Kopf, jeder Muskel arrogant lang, und sein Gesicht, der Ausdruck in seinem Gesicht, seine scharfe Nase, alles so schön und so bekannt, dass ihr übel davon werden könnte. Wie lange kann man jemanden schön finden, wenn man ihn Tag für Tag sieht und wenn sich das Schönsein mit dem anderen Sein vermischt? Sie denkt an Detlef. Detlef ist eigentlich gar nicht ihr Typ, wenn es ihren Typ überhaupt gibt. Er ist zu hübsch im Gesicht. Wie ein Mädchen.
Sie sieht sich im qualmig aufgeräumten Zimmer um, die aufgestapelte Kleidung von Danilo, seine Bücher, ihre Kleidung, ihre Bücher, der Schrank mit den Schiebetüren, der Tisch, die Kommode, der Spiegel, das Regal, das ganze Ikea, billig und voller Gebrauchsspuren. Sie sehnt sich plötzlich nach der Leere von Detlefs Wohnung. Wie ruhig so eine Leere ist. Wie das hier schon verwohnt ist, denkt sie. Und das ist erst der Anfang. Wie wird dann später alles sein, wenn es jetzt schon so ist.
Die Muschifrau öffnet ihr die Tür, während sie das weiße Haar mit der anderen Hand am Kopf festdrückt und sich die leicht zitternde Unterlippe zu einem breiten Lächeln formt. Sie trägt einen lilasamtigen Hausanzug, der lose an ihrem dünnen Körper hängt. «Kommen Sie doch herein, Frau …», sagt sie und lächelt weiter und schnappt vor Freude fast über.
Ava folgt ihr in die riechende Wohnung, zu ihren Füßen die Katzen, sich an ihren Beinen reibend, sich daranschmiegend und schnurrend. Der Geruch von Katzenurin hängt zwischen den Wänden und näher bei der Küche der Geruch von Hühnersuppe. «Haben Sie gekocht?», fragt Ava.
«Ja, gekocht», sagt die Muschifrau. «Möchten Sie einen Teller?»
«Ich … danke, ich habe schon gegessen.» Die Lüge steht ihr sicher ins Gesicht geschrieben. Warum lügt Ava? Sie weiß es nicht. Hat sie Angst vor dem Essen der Muschifrau? In der Küche steht ein großer Topf auf dem Herd, und das Fenster ist mit einer Dampfschicht beschlagen.
«Hühnersuppe», sagt die Muschifrau, «für mich, und der Rest für die Muschis.»
Auf dem Tisch in der dampfenden Küche liegt ein in silbern besterntes Weihnachtspapier geschlagenes Päckchen. «Das ist für Sie.» Die Muschifrau hebt das Päckchen vom Tisch und reicht es voller lippenzittriger Freude an Ava weiter. Ava setzt sich auf einen Küchenstuhl und legt das Päckchen wieder genau dort hin, wo es vorher gelegen hat. «Aufmachen», sagt die Muschifrau mit Spannung in den kleinen, funkelnden Äuglein. Ava nickt und zerrt am fest verknoteten roten Schleifenband. Die Muschifrau steht auf und zieht ruckelnd ein hölzernes Schubfach am Tisch auf, aus dem sie eine riesige silberne Schere hervorholt. Erst knotet sie es mühselig fest zu und dann soll ich es aufschneiden, denkt Ava. So geht es doch nicht. Wenn sie sich die Mühe macht, es zu verknoten, dann muss Ava das Paket aufschnüren. Das ist das Gesetz. Das gilt seit Avas Kindheit. Das war zu Weihnachten so, das war an allen Geburtstagen so. Das ist von den Großeltern mütterlicherseits überliefert und wurde beibehalten. Was verknotet wurde, musste mühselig aufgeknotet werden und durfte auf keinen Fall unter Missachtung der Knotmühe aufgeschnitten werden. «Schnurps», macht die Schere im Band, und die Muschifrau lächelt zufrieden, mit der eisernen Schere in der Hand. Solche riesigen Scheren gibt es eigentlich gar nicht mehr. Solche Scheren haben nur immer alte Leute, aus irgendwelchen Gründen. Das Band fällt auf den Boden der Küche, und Ava streift das Papier von der Pappschachtel, auf der ein silberner Salzstreuer und ein silberner Pfefferstreuer abgebildet sind. Beides befindet sich erwartungsgemäß im Karton. Der Karton und der Inhalt sind von der Firma WMF.
«Es ist von WMF», sagt die Muschifrau.
«Ja», sagt Ava, «toll.» Ihr fällt nichts ein, was sie zu Salz- und Pfefferstreuern aus Edelstahl von WMF sagen soll. Wie kommt die Muschifrau auf diese Geschenkidee?
Die Frage klärt sich schnell. «Der Karsten war hier», sagt die Muschifrau, der Karsten ist ihr
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