Eheroman (German Edition)
Sohn, «er hat mir das mitgebracht, zu meinem Geburtstag.»
«Sie hatten Geburtstag?», fragt Ava.
Die Muschifrau nickt einmal heftig mit dem Kopf schräg unten zur Seite, als wollte sie es abtun, dass sie Geburtstag gehabt haben könnte, während eine Katze auf ihren lilasamtenen Schoß springt und ihren Kopf an ihrer hageren Brust reibt. «Es ist ja schon was her», sagt sie. «Es war mal letzte Woche schon.»
«Letzte Woche. Das war doch erst», sagt Ava und betrachtet die silbernen Salz- und Pfefferstreuer in ihren Händen. Schon Fingerabdrücke auf der Oberfläche, schon Gebrauchsspuren. So geht das, genau wie die verschmutzen Wände unten in ihrer Wohnung, wie die Jeans, die an den Knien schnell verbeult sind und ausfasern, alles ist sofort immer am Altwerden, von Anfang an.
«Bei mir ist doch Geburtstag egal», sagt die Muschifrau.
«Aber nein! Herzlichen Glückwunsch!» Ava steht auf, bückt sich und drückt den samtig-knochigen Körper der Muschifrau auf ihrem Stuhl an sich. Die Katze springt vom Schoß auf Avas Füße und bleibt auf Avas Füßen stehen und drückt ihren Kopf gegen Avas Schienbeine. Ava lässt die Muschifrau los und macht einen Schritt, und die Katze macht den Schritt auf ihrem Bein kurz mit und springt dann auf den Boden.
Die Muschifrau reibt sich das linke Auge. «Nicht doch.» Dann steht sie auf und geht zum Schrank und öffnet eine Tür in einem Hängeschrank und holt eine Flasche roten Likör heraus. «Ich kann Ihnen auch was anbieten.»
Ava nickt. Sie lässt sich ein Gläschen Kirschlikör einfüllen und stößt mit der Muschifrau auf ihren siebenundachtzigsten Geburtstag an. «Siebenundachtzig? Das hätte ich aber nicht gedacht», sagt sie. «Eher siebzig vielleicht.»
Die Muschifrau nickt stolz. «Ich esse immer gesund. Nicht so fett. Und nicht rauchen und alles.»
Die Katze, die auf ihrem Schoß gesessen hat und dann auf Avas Fuß stand, miaut und nimmt Anlauf. Sie landet weich auf Avas Schoß. Ava streicht ihr über den Rücken. Sie schnurrt. Die Muschifrau hebt die Flasche Kirschlikör. Ava nickt und hebt ihr kleines, geschliffenes Glas, und die Muschifrau füllt nach.
«So eine liebe, liebe Muschi», sagt Ava zu der Katze, und die Katze schnurrt und krümmt ihren Rücken hoch unter ihrer Hand. Das Schöne an Katzen ist ihre Schnurrigkeit und wie sie sich anfassen, wenn sie schnurren.
Gefauche und Geschrei, ein paar andere Muschis kommen in die Küche gerannt. Eine trägt etwas im Maul, das die anderen ebenso haben möchten, wie es aussieht, und sie fauchen und hauen sich, und mit dem Fell sehen sie aus wie Antarktiskatzen, so dick der gesträubte Pelz. Dann liegt das Ding plötzlich auf dem Boden, ein angekautes, braunes Irgendwas, eine große gelbe Katze ist Gewinnerin und trägt es raus. Die beiden Verliererkatzen streichen um die Muschifrau herum und schnurren, als wäre nichts geschehen.
«Wenn das hier Ihr Geburtstagsgeschenk von Ihrem Sohn ist, wieso schenken Sie es dann mir, Frau Jacobs?»
Die Muschifrau schiebt ihren Kopf zwischen ihren knochigen Schultern nach vorne wie eine Ente. «Siehst du, was das ist, Kind?»
Ava starrt auf den Salzstreuer und den Pfefferstreuer und nickt.
«In das eine kannst du Salz einstreuen, in das andere Pfeffer», sagt die Muschifrau. «Du kannst oben den Deckel abschrauben, und dann kannst du Salz und Pfeffer einfüllen und kannst es benutzen.»
Ava nickt weiter. Wo wird dieses Gespräch hinführen? Die Katze schnurrt und streicht mit einer kralligen Pfote über Avas T-Shirt.
«Es ist eine gute Qualität, von WMF», sagt die Muschifrau. «Das kannst du dein Leben lang benutzen.»
Ava nickt weiter. «Aber es ist ja Ihr Geburtstagsgeschenk von Ihrem Sohn gewesen, er hat es ja für Sie gedacht und nicht für mich.»
Die Muschifrau winkt ab. «Der Nachtwächter», sagt sie. «In der Bank arbeiten und sich was drauf einbilden. So ein Nachtwächter.» Sie steht auf und öffnet wieder ihren Küchenschrank. Sie holt zwei kleine Porzellanschälchen mit Deckelchen heraus, das eine ist mit gemahlenem Pfeffer gefüllt, das andere mit Salz, wie sich herausstellt. «Weißt du, was ich mache, wenn ich Salz brauche?», fragt die Muschifrau, die immer am Anfang siezt und später dann duzt und dann wieder siezt, hin und her, weil sich bei ihr mit der Vertraulichkeit die Anrede ändert. Sie nickt dann, ohne die Antwort abzuwarten. «Ich mache so», sie greift zuerst in das Salzfass, um mit den Fingern etwas Salz herauszunehmen und es dann
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