Eheroman (German Edition)
baumeln und schlenkern zwischen seinen Beinen, und hockt sich wieder auf die Matratze und sitzt dort mit seinen viereckigen Knien und dem Gebaumel und trinkt Kaffee.
«Deine Freundin?», fragt Ava.
Detlef Stulle nickt. «Ich konnte sie wohl schlecht reinlassen.» Er hustet und räuspert sich. «Aber sie ist nicht mehr meine Freundin. Sie will nur noch rumlabern von wegen Freunde bleiben, kennst du das? Lass uns doch Freunde bleiben, Detlef, bitte. Wir können doch reden. Reden, reden, reden. Sie soll endlich abhauen.»
«Hättest du sie sonst reingelassen, wenn ich nicht hier gewesen wäre?»
Er nickt. «Hätte ich wahrscheinlich. Aber deshalb ist es gut, dass du hier bist. Und es ist sowieso gut.»
Ava steht auf. «Ich muss los, Detlef.» Sie betont das Detlef und spricht es extra langsam aus. «Ich weiß gar nicht, was zu Hause ist.»
«Bei deinem Freund?»
Ava nickt. Bei ihrem Freund. Sie weiß gar nicht, was da eigentlich sein wird, und sie weiß vor allem überhaupt nicht, wie es mit ihr selbst so ist. Sie ist so mit sich und den Dingen im Unklaren, dass sie plötzlich gar nichts mehr weiß. Nur die weißen Wände, der Kaffee und der Verkehr, das ist alles, was real ist und stimmt.
«Ich komme auch nicht und klingele an deiner Tür», sagt sie, als sie Detlef umarmt.
«Warum nicht? Ich mach dir auf, wirklich!»
«Auch, wenn eine nackte Frau bei dir sitzt?»
«Komm schnell bald, dann sitzt keine nackte Frau da.»
Ava schließt die Tür, lässt sich durch das Treppenhaus nach unten stolpern und tritt auf die sonnige Straße. Sie weiß überhaupt nicht, wo sie ist. Sie geht einfach nach links, wo es nett aussieht, und überlegt sich erst mal gar nichts.
Danilo fragt nicht, wo sie gewesen ist. Danilo interessiert es gar nicht, weil er mit Leistungstests in Mathe und Physik beschäftigt ist und weil er überhaupt nicht auf die Idee kommt, dass Ava irgendwo anders als bei Beate oder im Krankenhaus gewesen sein könnte. Sicher, sie ist nicht nach Hause gekommen, aber daran, dass sie nachts nicht da ist, ist er gewöhnt – so oft ist sie nachts im Krankenhaus, so oft ist er nachts allein –, dass dieses eine besondere Mal unauffällig darin untergeht. Er nimmt sicher an, sie hat bei Beate geschlafen. Fast nimmt sie es selber an, als ihr Alltag in ihrer Bude einfach so weitergeht. Sie könnte es ändern, indem sie ihm, während er sich im Bad die Zähne putzt, sagt: «Du, Danilo, ich habe mit einem anderen geschlafen, mit Detlef, was sagst du dazu?» Aber Danilo putzt sich die Zähne, grob, er schrubbt immer zu doll, sie sieht seinen leicht gebeugten nackten Rücken und seine langen, dunkel behaarten Arme und sagt nichts. Sie bleibt in sich gekehrt.
Danilo sagt: «Die Muschifrau hat nach dir gefragt. Sie hat gesagt, sie hätte etwas für dich, aber sie wollte es mir nicht geben. Ich glaube, sie traut mir nicht, die alte Krähe.»
«Was hat sie denn für mich?», fragt Ava.
«Ich weiß es nicht. Sie hat es mir ja nicht gegeben. Du musst wohl zu ihr hochgehen, wenn du das wunderbare Geschenk in Empfang nehmen willst, Liebling.»
Ava kämmt sich die Haare und denkt nach. Sie bürstet oft ihre Haare zu kräftig, wenn sie erst einmal damit anfängt, bis die alte oberste Hautschicht abgekratzt ist, und denkt dabei in sich rein, während das Kopffett sich gleichmäßig im Haar verteilt und sie immer das Gefühl hat, sie müsste es jetzt sauber duschen. Draußen ist es noch nicht dunkel. Sie denkt an die Muschifrau und dann an Detlef und dann wieder an die Muschifrau. Detlef und die Muschifrau überlappen sich in einzelnen Bildern und Fetzen unkontrollierter Sympathiegefühle, sodass sie gar nicht genau unterscheiden kann, wem was angehört. Sie bleibt in sich gekehrt und zusätzlich unausgeglichen.
«Ich gehe morgen mal hoch.»
«Vielleicht ist es eine Katze, was sie dir schenken will. Eine Katze. Vielleicht hat sie neue, kleine Inzuchtkatzen.» Danilo lacht wie ein Ziegenbock, so hämisch und dennoch unschuldig, weil er ein Junge ist und zur Schule geht und es noch nicht besser weiß. Sie betrachtet ihn, während er sich die Hose auszieht, sie zusammenfaltet und auf den Sessel packt, auf den ordentlich geformten Danilosachenstapel. Er schaltet den kleinen Fernseher vor dem Bett ein und wirft sich auf die Bettdecke. «Ava, eine Katze will ich hier nicht haben.»
«So?» Ava bürstet sich und bürstet sich, ihre Kopfhaut glüht und blutet bald, wenn sie fortfährt, und blickt durch die geöffneten
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