Eheroman (German Edition)
nicht», sagt Ava.
«Ich bin gestern aus Portugal wiedergekommen, und schon auf der Rückfahrt wusste ich, dass du kommst. Warst du schon oft hier?»
«Nein. Überhaupt nicht.»
«Dann ist es echt ein Zufall, dass ich heute hier bin. Oft bin ich nicht hier.»
«Ich weiß.»
«Willst du Bier?»
Ava nickt. Sie hat Durst.
Stulle holt zwei Bier aus der Küche aus dem Kühlschrank. Er öffnet eins und reicht es ihr hin. Sie sitzt auf der Matratze auf dem Boden. Wo auch sonst. Jetzt in der Hitze kommt ihr die Leere von Stulles Wohnung wieder angenehm vor, fast kühl, als wäre die Leere kühl.
«Zieh dich doch aus», sagt Stulle, «es ist heiß.»
Ava lacht. «Ich hab doch kaum was an.»
«Zieh besser alles aus, sonst schwitzt du.»
«Ich schwitze schon. Ich bin durch die Stadt gelaufen und schwitze total.»
«Siehst du. Ich bin seit gestern nicht mehr rausgekommen. Hier geht es, aber draußen ist es mir zu heiß.»
Er stellt den Fernseher an. Es läuft ein James-Bond-Film. Ava stopft sich ein Kissen hinter den Kopf an die Wand und legt sich auf die Matratze, das Bier neben sich auf dem Fußboden.
«Ich wollte eigentlich gar nicht mehr herkommen», sagt sie.
«Das dachte ich mir», sagt Stulle.
«Ich dachte, du wusstest, dass ich komme.»
«Gestern, als ich auf der Autobahn war, da dachte ich mir, du wirst heute kommen. Das kann ich dir gar nicht sagen, wieso ich das dachte. Das ist mein siebter Sinn.»
«Das ist dein Wunsch gewesen, Wunschdenken ist das», sagt Ava und nimmt einen großen Schluck Bier.
«Ja. Das kann sein. Aber es ist auch ein bisschen Hellsicht.»
Ava lächelt. Dann beugt sie sich zu ihm rüber und küsst ihn auf seine schönen, weichen Lippen. Knutschend liegen sie auf der Matratze, während im Fernsehen scharf geschossen wird. Stulle zieht sich den Rest seiner Kleidung herunter, und Ava küsst ihn auf den Bauch und auf jedes Fleckchen Haut. Stulle unterbricht sie, setzt sich auf und nimmt wieder einen Schluck Bier. «Willst du wirklich Sex, Fräulein?», fragt er.
Ava schüttelt den Kopf und zieht sich aus.
Stulle seufzt. «Mann, ich glaub nicht, dass es was Vernünftiges wird mit uns, aber is mir jetzt auch egal, is mir dann egal jetzt.»
Als sie später nach Hause geht, strahlt sie. Die Leute sind immer noch unterwegs mit ihren Freunden. Alles ist immer noch Sommerabend, wenn auch später, aber Ava hat eine kleine Bosheit mit sich herumzutragen, und nicht mehr Alltag und Krankenhaus und Freund kommt nicht nach Hause. «Ich bin ein Flittchen», denkt sie und ist stolz. Obwohl sie denkt, dass sie kein richtiges Flittchen ist, denn Stulle ist nicht der Typ, bei dem man überhaupt ein Flittchen sein kann. Er schläft mit ihr, aber er ist mehr Kumpel als Liebhaber. Eigentlich ist er ganz woanders und schläft nur aus Mitleid mit ihr, und sie tut es aus Mitleid mit sich. Beide schlafen sie also aus Mitleid mit Ava miteinander. Verrückt.
Danilo ist noch nicht zu Haus. Herrgott, kann man Danilo überhaupt eifersüchtig machen? Es passiert einfach nichts. Nichts. Sie legt sich, mit feuchten Haaren vom Duschen bei Stulle, seine Küsse noch im Gesicht, legt sie sich auf ihre Matratze, ganz so wie vorhin, als hätte sie zwischendrin nicht ihren Freund betrogen, und schläft wieder ein.
Danilo kommt spät und ist bekifft und will mit ihr schlafen. Aber sie hat schon. Sie dreht sich um, tut mürrisch und lässt ihn mit seiner Lust allein. «Ich bin doch nicht zur Selbstbedienung», murmelt sie. Danilo streichelt sie, grabbelt an ihr rum, aber da kann er sich die Finger wundstreicheln, sie ist schon bedient. Bedient, denkt sie. Ich Flittchen. Der Gedanke, dass sie ein Flittchen ist, wie die Handschuhfrau im Zug nach München, die den Ehemann der Muschifrau mit ihrer Untreue in den Herztod trieb, schreckt sie plötzlich sehr, aber er hebt sie auch an, sie schwebt in ihrer Verderbtheit und fühlt sich ganz wohl dabei und schläft endlich ein.
Als Ava mit dem Mittagessen kommt, Schnitzel mit Erbsen und Kartoffelbrei, liegt der Mann auf dem Boden vor dem Bett und sieht sie mit seinen glasigen Augen an. Auf dem Bett hinter ihm sitzt ein anderer Mann, in einem nagelneuen, nicht vorgewaschenem Schlafanzug, extra schnell für das Krankenhaus erworben, von den Angehörigen, damit keiner denkt, und beobachtet sie und den Mann auf dem Fußboden und wartet gierig auf die Reaktion von Ava.
«Was ist denn hier los?», fragt sie den Mann auf dem Boden, als wäre er ein Kind.
Der Mann auf dem Boden
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