Eheroman (German Edition)
regt sich matt und macht eine Bewegung mit seiner knochig-blassen Hand.
«Aus dem Bett gefallen», sagt der sitzende Mann.
«Aus dem Bett gefallen?» Ava bemüht sich, den Mann hochzuziehen, aber der Mann stöhnt, vielleicht hat er sich was gebrochen, das ist möglich bei alten Leuten, auch wenn die Fallhöhe gering ist. «Warten Sie, ich hole Hilfe», sagt sie und lässt ihn wieder auf den Boden sinken. «Beate», ruft sie, «Beate, komm mal.» Beate, die im anderen Zimmer die Essensteller austeilt, kommt geeilt und nickt. Dann fragt sie den Mann: «Wo tut es weh, Herr Podzun?», und ruckelt an seinem Rücken und seinen Beinen herum. Herr Podzun stöhnt ein bisschen und sagt «da» und «da», und Beate entschließt sich. «Wir packen ihn hoch. Du hier, ich da, greif so unter, und dann hoch.» Als sie ihn unter Stöhnen und Klagen hochheben, pinkelt Herr Podzun sich ein. Beate hält inne und sagt: «Wieder runter.» – «Was?» – «Runter.» Sie setzen ihn auf dem harten Boden ab, und Beate sagt: «Sind sie nun fertig, Herr Podzun?» Herr Podzun sagt nichts. «So brauchst du nun nicht das ganze Bett abziehen», sagt Beate zu Ava, «du hast es ja vorhin erst bezogen, sei froh.» Beate hat recht. Beate hat immer recht. Ava wechselt die Hose von Herrn Podzun noch auf dem Fußboden, dann heben sie ihn zu zweit hoch auf das Bett, er ist dünn und knochig und glücklicherweise nicht so schwer, aber schwer ist es trotzdem, einen Mann auf ein Bett zu heben.
Der Mann nebenan, in seinem industriell gefalteten Schlafanzug, sieht sich alles genau an. Er ist noch nicht so alt wie Herr Podzun. Er hat die Inkontinenz noch vor sich. «Warum haben Sie denn nichts gesagt?», fragt Ava Herrn Podzun. Herr Podzun hat auch bis hierhin noch nichts gesagt. Herr Podzun gibt nur kleine Stöhn- und Ächzlaute von sich. Aber ganz dement ist er noch nicht. Wenn Besuch kommt, von seiner dicken Tochter, dann redet er mit ihr, das hat Ava schon gehört. Nur hier, mit ihr, und eingepinkelt, da piepst er kaum. Vielleicht aus Scham. Er ringt nach Luft und Worten. «Wollte ich ja», sagt er schließlich pfeifend nach einer viel zu langen Weile. Ava hat keine Zeit. «Und Sie müssen doch auch Bescheid sagen, wenn Ihr Nachbar aus dem Bett fällt», schnauzt sie den anderen Mann an, der alles genau beobachtet hat.
«Ich hab doch nichts gesehen», protestiert er.
«Sie haben doch wohl den Mann auf der Erde gesehen, und gehört haben sie den wohl auch.»
«Was weiß ich denn, was der macht», sagt der Mann.
«Der macht nichts, der ist aus dem Bett gefallen. Was soll er denn auf dem Fußboden gemacht haben? Wenn Sie mal aus dem Bett fallen, dann möchten Sie vielleicht auch, dass sich jemand drum kümmert.» Ava seufzt und geht mit dem nächsten Schnitzel in das nächste Zimmer. Der Urin wird entfernt, Herr Podzun braucht vielleicht ein Bettgitter, ein Arzt muss sehen, ob er sich was gebrochen hat, wahrscheinlich aber nicht. Er hat nicht so doll gestöhnt.
Nach vierzehn Stunden Dienst radelt sie durch den warmen Abend nach Hause. Danilo liegt im Bett, das Gesicht ins Kissen gedrückt, und schläft.
«Danilo.» Sie öffnet ein zischendes Bier vor seiner Nase. Er richtet sich auf und legt sich gleich wieder hin. «Bist du da?»
«Nein. Du träumst nur.»
Danilo kichert mit geschlossenen Augen. «Ava, ich schlafe.»
«Das sehe ich, deshalb wecke ich dich ja.»
Aber Danilo schließt die Augen und schläft weiter. Er sieht süß aus. Und lieb. Er geht zur Schule, und er diskutiert gern über Bücher und Musik. Er hat Freunde, die über Bücher und Musik diskutieren. Ava denkt an Herrn Podzun und setzt sich auf den Sessel vor dem Fernseher. Die Uhr tickt auf dem Schränkchen. Draußen hält ein Auto. Eine Autotür klappt. Sie hatte sich auf den Abend gefreut, aber der Abend ist schon vorbei. Danilo hatte andere Pläne, er ist müde. Sie ist auch müde, aber sie will noch ein bisschen Abend haben. Als Herr Podzun, in ihren Armen hängend, zu pinkeln begann, hätte sie ihn fast fallen gelassen und geheult. Wenn nicht Beate gewesen wäre. Nicht, dass sie all das noch nicht gesehen hätte, schon oft hat sie es gesehen und viel Schlimmeres, aber im Moment ist sie dünnhäutig. Im Moment überfallen sie solche Dinge, und sie fragt sich, ob sie überhaupt als Krankenschwester arbeiten kann. Ob sie jemals so werden wird wie Beate, der solche Sachen nicht das Geringste ausmachen. Beate war in den Flur gegangen und hat mit Hartwig geflirtet, sie hatte
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