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Eheroman (German Edition)

Eheroman (German Edition)

Titel: Eheroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Seddig
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weiß es nicht. Ich habe es ihm nicht gesagt.»
    Beate nickt. «Das ist gut. Das ist nun mal passiert. Meine Schuld. Aber er wird es nicht erfahren, und alles ist wieder gut. Das wird dir eine Lehre sein, und mir auch.»
    «Beate, es ist nicht alles gut. Ich wollte doch mit Stulle schlafen. Das ist ja das Problem.»
    «Du warst betrunken. Da will man manches, was man gar nicht will.»
    «Ich weiß noch sehr genau, wie ich es wollte, und ich kann es verstehen. Ich denke sogar darüber nach, es noch einmal zu tun. Vielleicht gehe ich zu Stulle und schlafe noch einmal mit ihm.»
    «Nein. Das tust du nicht, Ava!»
    «Ich weiß es nicht. Ich will wirklich nichts Falsches tun, aber mit Danilo ist im Moment vieles falsch, so kommt es mir vor, und ich kann nicht mit ihm reden, weil er nicht hinhört, nie hört er hin. Er interessiert sich nur für sich selbst.»
    «Du doch auch. Alle doch», sagt Beate und nimmt ihre Sachen und drückt Ava und geht raus an die Arbeit, zu den Kranken.
    Ava fragt sich, ob es stimmt. Aber es stimmt nicht. Sie interessiert sich für Beate und für die Muschifrau, für die Kranken, für jeden einzelnen Kranken. Aber Danilo interessiert sich höchstens als Phänomen für die Muschifrau, und Ava ist für ihn das, was sie in seiner Vorstellung ist, was sie schon immer war, im Schuppen mit den Mäusen, auf der Hollywoodschaukel und am Luna-Brunnen. Nicht Ava, die mit Stulle vögelt, weil sie einem Impuls nachgegeben hat, einer Lust, Danilo weh zu tun, und einer Lust, mit Stulle zu schlafen, weil er schön war und weil er sie gar nicht verführen wollte, sondern traurig war und eine andere Frau liebte. Das war der Grund. Gründe gibt es immer, dennoch ist alles falsch und verboten. Die Gründe sind für’n Arsch, Ava.
    Die Muschifrau ist auch so. Die entscheidet auch alles so spontan, aber sie ist siebenundachtzig Jahre alt und lange schon nicht mehr darauf angewiesen, dass andere Leute ein gutes Bild von ihr haben. Sie weiß Bescheid. Es ist ihr egal. Sie lädt Leute ein, verteilt Salzstreuer als Geschenk und wirft die Leute raus, ganz nach Laune, wie es ihr gefällt. Sie verstellt sich nicht. Aber keiner kreidet es ihr an. Niemand.

    Draußen wird es heißer. Nach einem Tag Arbeiten im Krankenhaus ist Ava erschöpft und liegt auf dem Rücken in ihrem Bett und sieht die Zimmerdecke an. Draußen ist es heiß, und drinnen ist es ebenso heiß. Aber keine Sonne. Sie hat die Gardinen zugezogen. Gekreische von Kindern. Kinder sind immer froh, wenn es heiß ist. Sie ziehen sich aus und gehen ins Freibad und schreien rum und essen Eis und Pommes. Sie hat das auch getan, als sie ein Kind war. Nun liegt sie auf dem Bett, wartet auf Danilo und ist kein Kind mehr. Danilo ruft an, er kommt später, er geht mit seinen Freunden noch wo hin. Sie werden rumhängen und kiffen. Ihr ist es recht. Sie starrt die Zimmerdecke an und spürt den Schweiß auf ihrem Körper und schläft ein.
    Als sie wach wird, ist Danilo immer noch nicht da. Sie steht auf und macht sich ein Brot. Danilo ruft an, er kommt noch später, später in der Nacht. Ihr ist auch das recht. Sie duscht und zieht sich an und geht spazieren. Draußen ist es immer noch sehr warm, obwohl es Nacht wird und die Sonne langsam verschwindet. Ava trägt eine kurze Jeans und eine leichte, geblümte Bluse, die romantisch aussieht, wie sie findet. Sie spaziert durch die Straßen, ohne Ziel, sie glaubt, sie schlendert, sie ist sich selbst nicht sicher. Die Menschen laufen mit ihren Freunden an ihr vorbei. Sie denkt an Beate. Aber ihr Ziel ist nicht Beate, ihr Ziel ist eine ganz bestimmte Straße, wo ein ganz bestimmtes Haus steht. Das wusste sie selbst nicht, als sie losging. Das weiß sie erst jetzt so langsam. Ava findet Stulles Haus und klingelt bei ihm. Vielleicht ist er nicht da. Wahrscheinlich ist er nicht da. Er ist Fahrer. Er ist die meiste Zeit seines Lebens nicht da, sondern unterwegs auf den Straßen. Aber Stulle ist da und fragt: «Ja?»
    «Ava», sagt Ava, und der Summer öffnet die Tür zum kühlen, nach Beton riechenden Flur. Sie steigt die Treppen zu seiner offenen Wohnungstür empor, und ihr Herz fängt an zu klopfen. Sie sieht auf ihre blassen Knie. Wie wird das alles Stulle gefallen? Und was will sie überhaupt bei Stulle?
    Er steht in der Tür und trägt außer einer hellblauen Unterhose nichts. Er lässt sie herein und umarmt sie. Er kommt ihr erst einmal fremd vor.
    «Ich wusste, dass du heute kommst», sagt er.
    «Echt? Ich wusste es selbst

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