Ehrbare Händler: Historischer Kriminalroman (German Edition)
arbeiten. Sie sollte bald hier langkommen.« Uta schaute wieder nervös um sich. »Ich muss weiter. Im
Bierfass
soll ich gleich für Gäste auftragen. Sonst bekomm ich noch Ärger.«
Agnes legte ihr sacht die Hand auf den Arm. »Natürlich wollen wir nicht, dass Ihr Probleme bekommt, nur weil Ihr mit uns sprecht. Nur eins vielleicht noch: Wem seid Ihr verschuldet?«
Sie zögerte ein wenig und schaute verlegen zur Erde. »Ich wurde kurze Zeit nach der Hochzeit schon zur Witwe. Ich hatte kein Geld, keine Familie mehr und ein grad geborenes Kind. Damit wir nicht verhungerten, habe ich mir Geld geliehen. Das konnte ich natürlich nicht zurückzahlen. Deshalb hat mich der Gläubiger an Dullen verkauft. Ich habe mich geweigert, das zu tun, was die Gäste wollten. Aber nachdem Dullen mich dreimal verprügelt und mir schließlich den Arm gebrochen hatte, habe ich nachgegeben.«
»Was ist mit Eurem Kind?«
»Es starb vor fünf Jahren am Fieber.« Die Bademagd begann, leise zu weinen. Tränen rannen ihr über die Wangen.
Agnes atmete tief durch. Sie war erschüttert über solch traurige Schicksale. In was für einer behüteten Welt sie doch leben durfte, hinter ihren Klostermauern. Bedrückt sagte sie: »Nun gut. Ihr solltet jetzt besser los.«
Uta nickte. »Bitte verratet mich nicht. Sonst gibt’s wieder Prügel.«
»Versprochen.«
Mit einem leisen Dank verabschiedete sie sich und eilte davon.
Niedergeschlagen und selbst den Tränen nahe schaute Agnes hinter der armen Frau her. »Die Frau tut mir leid. Wie können Menschen nur so grausam sein? Andere zu so einem Leben zwingen? Ohne Hoffnung auf Erlösung. Wie kann man ihnen bloß helfen?«
Eigentlich hatte sie die Fragen sich selbst gestellt und nicht Wolfram. Doch der antwortete ihr lässig: »Am besten gar nicht. Es gibt sowieso zu viele davon. Du hast doch gehört: Sie ist selber schuld. Warum leiht sie sich auch Geld?«
Entrüstet drehte sich Agnes zu ihm um. »Selber schuld? An Schicksalsschlägen? Hast du ihr überhaupt zugehört?«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das waren doch nur dumme Ausreden.«
»Wenn sie es aber sagt?«, entgegnete sie ärgerlich.
»Ach, Mädchen!«
Agnes wurde noch lauter. »Nenn mich nicht Mädchen! Ich bin kein dummes, kleines Kind!« Wild entschlossen, ihre Position zu verteidigen, stand sie vor dem Hauptmann und stemmte ihre Fäuste in die Seiten. Ihre Augen blitzten gefährlich.
Aber Wolfram ließ sich nicht beeindrucken. Ungeniert plauderte er weiter: »Als Wache habe ich schon so viele erlebt, die alles tun, um Mitleid zu erregen. Die erzählen einem die traurigsten Geschichten, damit sich einer ihrer erbarmt. Die Schlampen sind doch nur auf schnelles Geld aus und wollen auch noch ihr Vergnügen dabei haben. Aber wenn se alt und verbraucht sind und keiner se mehr will, dann machen se einen auf traurig und bejammernswert. Das kannste mir glauben: Ich hab schon viel echtes, aber auch viel selbst verschuldetes Leid gesehen.«
Agnes bezweifelte das zutiefst. Die Frau hatte nicht so ausgesehen, als würde sie lügen. Was war mit Wolfram los, dass er so abfällig über diese Frauen sprach? Kannte er denn kein Mitleid? Männer! Die sollte man alle in einen Sack stecken und draufhauen. Egal ob Wolfram oder Ludolf, man träfe immer den Richtigen.
»Du hast ein ganz schön schiefes Bild von uns Frauen.« Sie klang zornig und streitlustig. »Du solltest ein wenig rücksichtsvoller werden, wenn dir etwas an unserer Freundschaft liegt. Sonst ist ganz schnell wieder Schluss.«
Diese Bemerkung schreckte von Lübbecke auf. Verlegen räusperte er sich und hantierte ungeschickt an seinem Schwert herum. »Tja … ich meinte …«
»Was meinst du?« Sie war zum Kampf bereit.
Er kratzte sich an seinem Bart und schaute sich vorsichtig um. Leiser antwortete er: »Bitte verzeih mir, wenn ich so ’ne Sachen nicht gleich auf die Reihe kriege. Ich war halt zu lange allein. Ich muss das erst wieder lernen. Ich brauch deine Hilfe dazu. Bitte.«
Der ehemalige Kontorsgehilfe
Also hatte Ludolf den Hauptmann doch richtig eingeschätzt. Der reinste Weiberheld! Und dem hatte sich Agnes regelrecht an den Hals geworfen. Sie wollte doch sonst immer so klug und einfühlsam sein. Kannte sich doch in allem so viel besser aus als alle anderen. Aber nun hatte sie die Konsequenzen selbst zu tragen. Sie hatte ja nicht auf seine Warnungen hören wollen, musste ja unbedingt ihren eigenen Kopf durchsetzen. Sie konnte ihm gestohlen bleiben! Ein
Weitere Kostenlose Bücher