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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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die Liebe zu
gestehen. Vor ihrem geistigen Auge lief ein perfekter Film ab: Sie sitzen in
der Ecke eines noblen Restaurants. Quer über den weiß gedeckten Tafeln liegt
jeweils ein überlanger roter Läufer. In der Mitte des mit Silberbesteck
gedeckten Tisches sorgt der Schein einer langen, schmalen Kerze für romantische
Beleuchtung. Sie selbst in einem schwarzen, figurbetonten Kleid. Der lange seitliche Schlitz bietet einen verführerischen Blick auf ihre
Beine, die hauchdünnen Spaghettiträger einen tiefen Einblick in das vollkommene
Dekolletee. Ihre Haare sind stilvoll mit Gel nach hinten gelegt, die Augen
dezent geschminkt und Lipgloss lässt den Mund verheißungsvoll glänzen ……. Er, im schwarzen Anzug mit einem lässig geöffneten,
weißen Hemd, sitzt ihr erwartungsvoll gegenüber. Obwohl er es nicht nötig
gehabt hätte, hat er sich sichtlich für sie herausgeputzt …… Der Ober trägt
eine kulinarische Verführung nach der anderen auf. Immer wieder treffen sich
ihre Blicke. Doch keiner von ihnen will die wunderschönen Augenblicke mit
Worten zerstören. Die Stimmung bedarf keiner Erklärungen. Beim Nachtisch überreicht
sie ihm ein schlichtes weißes Kuvert. Er öffnet es erwartungsvoll und strahlt.
Das Gedicht, das sie für diesen Moment geschrieben hat, zaubert ein
unwiderstehliches Lächeln in sein Gesicht. Er ergreift ihre Hände, küsst sie
und gesteht, dass er sich schon ewig nach diesem Augenblick gesehnt hat……
    „Schluss mit der Träumerei!“, schloss sie
ihre Gedanken. „Wenn ich jemals glücklich werden möchte, muss ich ihm die
Wahrheit sagen. Am besten, ich ruf ihn gleich an.“

Sein Gewissen ließ ihn abends spät
einschlafen und riss ihn morgens schon zeitig aus dem unruhigen Schlaf. Als um
6.00 Uhr leise an seine Zimmertür geklopft wurde, war er froh endlich aufstehen
zu können. Der erste Blick in den Spiegel ließ ihn zusammenzucken. Er
verabscheute dieses Gesicht, diese elende, feige Gestalt. „Es wäre besser
gewesen, meinem Leben sofort ein Ende zu setzen“, brummte er. Wieder fühlte er einen
riesigen Knoten in seinem Hals und die inzwischen gewohnte Übelkeit ergriff von
ihm Besitz. Den Weg hinaus aus dem Zimmer bis ins WC am Ende des schmalen
Ganges hätte er nicht mehr geschafft. Da er seit gestern Abend nichts mehr zu
sich genommen hatte, war die Gefahr, den Abfluss zu verstopfen, nicht besonders
groß. Er beugte sich über das kleine Edelstahlbecken, als sich sein Magen überstülpte.
Er würgte einige Minuten geräuschvoll, bis er endlich bitteren, gelb-grünlichen
Gallensaft spuckte.
    Als er wenig später den Weg über den
Kreuzgang um den quadratischen Innenhof des Klosters entlanghinkte ,
fühlte er sich schon merklich besser. Er hatte Routine schon immer gemocht. In
seiner momentanen Verfassung, wo die ständige Angst und das Chaos die absolute
Oberhand über ihn gewonnen hatten, brauchte er sie mehr denn je. Als er
schließlich mit den anderen im Betchor , einer kleinen
Andachtsstätte im hinteren Teil des Gebäudes, stand, wich seine Übelkeit beinahe
gänzlich einem Gefühl der Geborgenheit. Er wusste zwar nicht, was in den Köpfen
der in Kutten gekleideten Männer um ihn herum in den Momenten dieser „Stillen
Andacht“ vor sich ging, aber die schweigsame morgendliche Zusammenkunft berührte
ihn auf eine seltsame Art. Der Raum selbst, dessen hohe Gewölbe bis auf über
zwei Meter Höhe mit Holz getäfelt waren, strahlte Ruhe aus. Auch wenn er nicht
beheizt war und ihm deshalb schon so manches Mal leichte Gänsehaut aufgestiegen
war, hatte er etwas ungemein Tröstendes. Im hinteren Teil fiel das Licht der
aufgehenden Sonne durch das einzige, große Fenster und beleuchtete die
eindrucksvolle Vorderansicht des Betchores , von
dessen Mittelpunkt Jesus Christus am Kreuz auf die kleine Gemeinschaft
herabblickte. Links und Rechts von ihm waren zwei
Männer mit langen Bärten dargestellt, von denen Franz annahm, dass es sich wohl
um Apostel handeln musste, nachgefragt hatte er nicht. Das Bild darunter
stellte die heilige Maria dar. Ihr trauriger Blick ließ ihn unwillkürlich an Anna
denken. Würde sie ihn vermissen? Mit Sicherheit würde sie das tun, beantwortete
er sich selbst die Frage. Nicht zuletzt dafür hasste er sich so sehr. Hätte er
doch den Mut aufgebracht, seiner Frau die Wahrheit zu sagen. Über all die Jahre
hatte sie, trotz seiner üblen Launen und trotz seines Krüppeldaseins, immer zu
ihm gehalten. Erst jetzt, wo er unendlich viel Zeit hatte,

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