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Ehre sei dem Vater (German Edition)

Ehre sei dem Vater (German Edition)

Titel: Ehre sei dem Vater (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisa May
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auslöffeln!“ Marie fing neuerlich
an zu schluchzen.
    „In nächster Zeit bekomme ich Urlaubsgeld,
das wird wohl hoffentlich reichen.“, sagte Verena aufmunternd.
    „Das kostet aber bestimmt nicht wenig…“
    „Geld ist nicht alles! Außerdem kannst du
mir, wenn du unbedingt willst, ja nach und nach wieder einen Teil zurückzahlen.“
    Als Marie die Stufen in ihr Zimmer hinaufeilte,
blickte ihr Verena liebevoll hinterher. Seit Jahren waren sie sich nicht mehr
so nahe gewesen. Sie wusste, dass damit bestimmt nicht der ganze Damm gebrochen
war, der sich in den letzten Jahren aufgestaut hatte, aber es war ein großer
Schritt in die richtige Richtung. Sie wollte alles daran setzen, jetzt nicht
mehr locker zu lassen. Es war schon ein absoluter Glücksfall gewesen, dass
Verenas Mutter in dieser Nacht nicht zu Hause war, denn sonst hätte sie diese
Chance überhaupt erst gar nicht bekommen. Bestimmt wäre Marie sofort zu ihr
gelaufen ……. Daran wollte sie jetzt aber gar nicht denken.

Der Baumstamm, auf dem sie saß, war heute
endlich wieder einmal trocken. Die Sonne blinzelte durch die Blätter hindurch. Viel
zu lange hatte heuer die Schafskälte gedauert. Sie konnte sich überhaupt nicht
erinnern, wann es jemals Anfang Juni so kalt gewesen war. Ihr Blick war wie
immer auf das nahe gelegene Haus gerichtet, obwohl sie sich heute schwer darauf
konzentrieren konnte. Sie fühlte sich ausgebrannt. Nachdem Julian und Verena
wieder einmal wegen ihrer Arbeitslosigkeit gelästert hatten, war sie fest dazu
entschlossen gewesen, ihnen zu beweisen, dass sie auch ohne Bilanzbuchhaltung
ihr Auskommen finden könnte. Eva hatte bemerkt, dass sich die beiden ungläubige
Blicke zugeworfen hatten, als sie von ihrem Vorhaben berichtete, einen
Gedichtband mit eigenen Fotos herausbringen zu wollen, doch das hatte sie in
ihrer Hochstimmung an jenem Abend nicht einmal gestört. Erst am nächsten Morgen
kam die große Ernüchterung. Sie hatte in sämtlichen Aufzeichnungen der letzten
Jahre gestöbert, doch nichts von alldem, was sie bisher geschrieben hatte,
schien für ihr Vorhaben brauchbar zu sein. Sie musste wohl etwas vollkommen
Neues schaffen. Während sie nun auf ihrem Aussichtsplatz nach Entspannung
suchte, türmte sich ein riesiger Berg von beschriebenen Papierknäueln rund um
den Mistkübel ihres Zimmers. Bisher war es ihr nie schwer gefallen, in allen
Lebenslagen zu schreiben, aber jetzt zweifelte sie plötzlich an ihren Fähigkeiten.
„Nicht einmal traurige Geschichten wollen mir einfallen.“ Nervös wischte sie ihre
kurzen blonden Haare aus der Stirn. Sie hatte zu Hause einfach alles stehen und
liegen gelassen und war hierher gelaufen, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Zurzeit
lief rein gar nichts so, wie es sollte. Ihr ewig deprimierter Bruder ließ sich
nur selten zu Hause blicken und wenn, dann verkroch er sich in seinem Zimmer.
Die Sorge um ihn ließ sie ebenso wenig zur Ruhe kommen wie ihr verkorkstes
Liebesleben. „Warum fallen andere immer nur auf die Butterseite des Lebens?“,
fragte sie sich. Verena fiel ihr wieder ein. Trotz der Schwierigkeiten mit
ihrem Lover fand Eva, dass sie es sehr viel leichter hatte als sie selbst.
„Wenn ich meinen Liebsten fast täglich bei der Arbeit treffen könnte, würde
mich allein das schon glücklich machen“, dachte sie. „Aber nein, ich muss mich
damit begnügen, Martin von weitem zu beobachten und von einem gemeinsamen Leben
zu träumen.“ Sie ließ den Kopf resignierend auf ihre Knie sinken.
    Julian hatte erzählt, dass er in den nächsten
Tagen nach Deutschland aufbrechen wollte, um Näheres über einen
geheimnisumwitterten Deutschen herauszufinden, von dem er sich neue
Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Verschwinden seines Vaters erhoffte. Vielleicht
könnte sie ihn begleiten? Ein kurzer Trip ins Ausland würde eine willkommene
Abwechslung für sie darstellen, und vielleicht brachte der Abstand vom Alltag
sie wieder auf andere Gedanken. „Was spricht schon dagegen? Ich werde von
niemandem gebraucht“, dachte sie wehmütig beim Blick durch das dichte
Blattwerk. „Nicht einmal er vermisst
mich!“ Seit langem überlegte sie schon, ob sie nicht doch endlich „Nägel mit
Köpfen“ machen sollte. Sie wusste nur nicht, wie sie am besten an die Sache
herangehen sollte. Schließlich wollte sie Martin auf gar keinen Fall vor den
Kopf stoßen. Ob es geschickt wäre, ihn anzurufen und um ein Rendezvous zu
bitten? Zumindest wäre diese Variante besser, als ihm am Telefon

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