Ehrenhüter
und erklärte ihm in wenigen Sätzen, warum sie den Verdacht hatten, dass es sich bei der jungen Frau um Nilgün Cetin handeln könnte.
Klaus Rodewaldt hörte sich Steenhoffs Zusammenfassungan, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Dann fragte er mit zitternder Stimme: «Wie sicher sind Sie sich?»
«Wie gesagt, es spricht vieles dafür, aber noch fehlt uns der letzte Beweis.»
«Und was sagen die Eltern des Mädchens dazu?»
«Die haben wir noch nicht befragen können», antwortete Steenhoff.
Roman hatte sich inzwischen wieder von Navideh gelöst und sich neben seinen Vater aufs Sofa gesetzt.
Petersen griff in ihren Lederrucksack, holte vier durchsichtige Plastiktüten heraus, in denen sich die Schmuckstücke der Toten befanden, und wandte sich an den jungen Mann: «Roman, erkennen Sie den Ohrring, die Uhr und den Armreif wieder? Oder den goldenen Ring?»
Roman schien wie erstarrt. Gebannt starrte er auf die Schmuckstücke. Dann gab er sich einen Ruck, nahm die Tüte mit dem Ohrring in die Hand und ging damit zum Fenster.
Als er wieder hochschaute, meinte Navideh einen Funken Hoffnung in seinen Augen aufblitzen zu sehen. «Er sieht genauso aus wie der, den ich Nilgün geschenkt habe. Aber der hatte keinen Kratzer. Ich meine …» Er sah sie beschwörend an. «Das ist ja schließlich kein Unikat. Solche Ohrringe gibt es bestimmt hundertfach in den Geschäften!»
Mit neuer Kraft betrachtete er nun auch den Armreif und den Ring. Zu Steenhoffs Überraschung schüttelte er auf einmal energisch den Kopf. «Nein, Nilgün trägt zwar manchmal goldene Armreife, aber so sahen die nicht aus! Und der Ring war auch anders. Irgendwie schmaler.» Er räusperte sich. «Die Uhr kenne ich auch nicht.»
«Sind Sie sicher?»
Roman Rodewaldt nickte überzeugt. «Ja, absolut sicher.»
Navideh, die hinter den Männern stand, machte Steenhoff ein Zeichen und griff sich demonstrativ in ihre langen, gewellten Haare.
Steenhoff verstand sofort. «Besitzen Sie ein Kleidungsstück von Nilgün, oder gibt es eine Haarbürste, die sie benutzt hat, wenn sie hier war?»
Der Junge nickte zögernd. Mit hängenden Schultern verließ er das Wohnzimmer. Navideh ging mit ihm in sein Zimmer und ließ die Bürste, die er ihr reichte, in eine durchsichtige Tüte fallen.
Direkt neben dem Spiegel hing das Poster einer jungen, perfekt geschminkten Sängerin, die kokett in die Kamera lachte und ihre halblangen, schwarz glänzenden Haare mit den Fingern zurückstrich. Die ersten drei Knöpfe ihrer Bluse hatte sie geöffnet, sodass der Betrachter den Ansatz ihres schwarzen BHs erkennen konnte. Navideh kannte die Frau nicht. Aber die Band, die auf einem Poster über Romans Bett hing, hatte schon häufiger in Bremen gespielt. Navideh sah sich weiter um. Die Zimmertür schmückte der schon in die Jahre gekommene Aufruf einer Bürgerinitiative, die Castor-Transporte zu stoppen. Roman Rodewaldt schien ein politisch interessierter Schüler zu sein. Für einen Heranwachsenden war das Zimmer zudem erstaunlich aufgeräumt. Voller Bewunderung registrierte Navideh, wie viele Bücher der Junge offenbar schon gelesen hatte. Eine ganze Regalwand war bis zur Decke mit Büchern gefüllt. Nur der Sandsack, der an einer schweren Kette in einer Ecke des Zimmers von der Decke baumelte, wirkte auf sie wie ein Fremdkörper im Raum.
Roman bemerkte ihren Blick und verzog seinen Mundzu einem schmallippigen Lächeln. «Den Sack hat mein Vater mir reingehängt. Er meinte, ich müsse ja irgendwo meine Aggressionen loswerden.»
«Und hilft es?»
Roman zuckte mit den Achseln. «Eigentlich bin ich selten sauer auf irgendwas. Aber dafür haut mein Vater am Wochenende öfter drauf rum.»
Navideh wollte gerade hinausgehen, als ihr Blick erneut an der unbekannten Sängerin auf dem Poster neben dem Spiegel hängenblieb. Sie ging näher ran. Am rechten Arm trug die junge Frau einen goldenen Armreif, ihre Nägel waren leuchtend rot lackiert. Beklommen zog Navideh den Armreif des toten Mädchens vom Bunker Valentin hervor.
Roman stand direkt hinter ihr. «Sie mag das Foto nicht», sagte er wie aus weiter Ferne. «Sie findet sich zu dick auf dem Bild.» Unwillig schüttelte er den Kopf. «Dabei ist sie das schönste Mädchen auf unserer Schule.» Er machte einen Schritt nach vorn und strich mit den Fingern seiner rechten Hand zärtlich über ihr Gesicht. «Warum meldet sie sich nicht bei mir?»
Dann fing er hemmungslos an zu weinen.
Stumm ließ Navideh den Armreif in ihrer
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