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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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versichern lassen, dass seine Töchter im Landschulheim kein Schweinefleisch essen mussten. Dass Jungen und Mädchen in getrennten Zimmern schliefen, hatten ihre Lehrer stets von sich aus auf den Vorbereitungsabenden betont.
    Auch der Schwimmunterricht in der Grundschule war nie ein Problem für ihren Vater gewesen. Nilgün hatte sich am Ende der vierten Klasse allerdings trotzdem nur mühsam ein paar Meter über Wasser halten können. Saliha dagegen schaffte das silberne Schwimmabzeichen gleich beim ersten Versuch. Den Ausweis hatte sie gerahmt und über ihr Bett gehängt, gemeinsam mit einer bronzenen Medaille über 50   Meter Brustschwimmen. Ihre deutsche Freundin Lena holte bei demselben Schulturnier Gold. Wie hatte Saliha ihre Freundin beneidet! Lena schien im Wasser zu Hause zu sein. Regelmäßig ging sie am Wochenende mit ihren Eltern zum Baden. Im Winter ins Hallenbad, im Sommer an einen der vielen Bremer Seen. Für
Anne
dagegen wäre es undenkbar,sich vor fremden Männern im Badeanzug zu zeigen. Und auch ihrem Vater Kemal wäre es nicht eingefallen, sich eine Badehose anzuziehen und mit seinen Kindern im Wasser zu toben. Deutsche machten das – aber von den türkischen Nachbarn in der Straße ging niemand mit seinen Kindern schwimmen.
    Seit Saliha 13   Jahre alt war, mied sie Bäder und Seen. Ihre Eltern hatten ihr gegenüber nie ein direktes Verbot ausgesprochen, aber Saliha spürte, dass sie es nicht gewollt hätten, wenn sich ihre jüngste Tochter in dieser Hinsicht wie eine Deutsche verhielt. So sah sie ihren Brüdern im Sommer zwar sehnsüchtig hinterher, wenn sie sich mit Klassenkameraden zum Schwimmen trafen. Aber sie nahm sich nie heraus, dasselbe zu tun. Murat und Osman waren Jungen. Ihr Leben verlief nach anderen Regeln.
    So wie heute, wenn Osman und Murat bei ihrem Vater im Wohnzimmer saßen, während Saliha sich mal wieder in das winzige Schlafzimmer zurückzog, das sie sich mit Nilgün teilte.
Anne
war auch zu Hause. Natürlich. Wo sollte sie sonst sein? Aber Saliha hörte und sah nichts von ihr. Ihre Mutter hatte die Fähigkeit, sich in Luft aufzulösen, wenn
Baba
wütend oder gereizt war. Sie konnte dann putzen, kochen und das Essen servieren, ohne dass man sie bemerkte. Fast schien es Saliha, als würden die Dinge des täglichen Lebens von ganz allein geschehen.
    Saliha hatte nie mit ihrer Mutter darüber gesprochen, aber Nilgün sah es ähnlich. Bei einem ihrer langen nächtlichen Gespräche bemerkte sie böse: «Das ist die Überlebensstrategie von vielen türkischen und arabischen Frauen: möglichst aus dem Bewusstsein ihrer Männer zu verschwinden.» Saliha hatte protestiert, schließlich schlug ihr Vater die Mutter nur selten. In den vergangenen Jahren erinnerte sie nureine Handvoll Situationen, in denen ihr Vater die Mutter mit einer Ohrfeige für ihr Verhalten strafte. Aber insgeheim fand sie auch, dass
Anne
fast immer geduckt wirkte, wenn ihr Mann im Raum war. Und auch die beiden Schwestern sprachen mit gedämpften Stimmen, sobald Männer die Wohnung betraten.
    Saliha war ihr eigenes Verhalten erst aufgefallen, nachdem die ältere Schwester sie darauf aufmerksam gemacht hatte. Zunächst protestierte sie und wandte ein, dass es schließlich eine Form des Respekts gegenüber dem Vater und anderen erwachsenen Männern sei. Aber Nilgün fegte ihr Argument wütend beiseite: «Wir unterwerfen uns den Männern und den Traditionen in unserer Familie und merken es noch nicht einmal. Du und ich, wir ähneln dummen Hühnern, die mit ein paar hingeworfenen Brocken zufrieden sind und glauben, wir könnten selbst über unser Leben entscheiden. Nur weil sie mich zum Gymnasium gehen lassen und nichts dagegen haben, dass du in einer Mädchenmannschaft Volleyball spielst!» Sie schnalzte abfällig. «So dumm sind wir, dass wir schon ein bisschen Freiheit mit einem selbstbestimmten Leben verwechseln!»
    Wütend hatte sich Nilgün damals im Bett aufgesetzt und mit der Faust auf die Bettdecke gehauen. «Und Osman und Murat? Die sind niemandem Rechenschaft schuldig. Unsere Brüder können sich treffen, mit wem sie wollen und wann sie wollen. Nur wir beide nicht. Schließlich ist unsere heilige Familienehre davon abhängig, wie sich
Anne
, du und ich in jeder einzelnen Minute unseres Lebens verhalten. Wie wir Frauen der Familie sprechen, uns anziehen, ob wir den Blick rechtzeitig senken oder es gar wagen, mit einem fremden Jungen oder mit einem Mann in der Öffentlichkeit laut zu lachen.»
    Saliha war

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