Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
Vom Netzwerk:
Tasche verschwinden und legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. «Roman, es gibt noch eine wichtige Frage, die ich dir stellen muss. Hast du gewusst, dass Nilgün schwanger war?»
    Verständnislos sah Roman sie an. Kurz darauf entfuhr ihm ein spitzer Schrei.
     
    Als Klaus Rodewaldt seinen Sohn aufschreien hörte, sprang er vom Sofa auf und sah Steenhoff wütend an. «Sie platzen hier einfach unangemeldet rein und bringen das Leben meines Sohnes durcheinander. Was gibt Ihnen eigentlichdas Recht dazu, den Jungen mit diesen ungeheuerlichen Behauptungen so fertigzumachen? Womöglich ist die Tote gar nicht Nilgün, und Roman tut sich noch etwas an!»
    «Wir werden uns so schnell wie möglich Gewissheit verschaffen und Sie benachrichtigen», versprach Steenhoff. Er machte Petersen, die jetzt im Türrahmen vom Wohnzimmer auftauchte, ein Zeichen zum Gehen.
    Klaus Rodewaldt eilte mit großen Schritten die Treppe hinauf. Das Weinen klang jetzt gedämpfter, und Steenhoff vermutete, dass Roman auf seinem Bett lag und sein Gesicht in den Kissen vergrub. Auch er machte sich Sorgen um die psychische Verfassung des Jungen.
    Mitten im Lauf stoppte Klaus Rodewaldt plötzlich und drehte sich noch einmal zu ihnen um. «Wie sind Sie eigentlich auf unsere Familie gekommen?»
    «Ihr Sohn hat auf den Fernsehbeitrag bei
buten un binnen
reagiert und uns angerufen. Er meinte Nilgün als die Tote erkannt zu haben», antwortete Steenhoff.
    Klaus Rodewaldt verzog die Mundwinkel. «Sehen Sie zu, dass Sie Gewissheit bekommen. Vermutlich ist Romans Freundin einfach mit einem anderen Jungen zusammen.» Dann ließ er die beiden Ermittler stehen und verschwand im Zimmer seines Sohnes.
     
    Steenhoff und Petersen gingen schweigend zur Haustür. Erst als sie wieder auf der Straße waren, erzählte Navideh von dem Poster in Romans Zimmer. «Der Armreif, den Nilgün auf dem Bild trägt, sieht genauso aus wie der, den wir beim Opfer gefunden haben. Ich habe ihn aus der Tüte geholt und daneben gehalten. Roman stand direkt hinter mir. Wir haben dasselbe gesehen, aber der Junge hat mich trotzdem gefragt, warum sich Nilgün nicht meldet.»
    «Er leugnet das Offensichtliche», erwiderte Steenhoff. «Vermutlich fürchtet er die Wahrheit.»
    «Vermutlich?», fragte Petersen verwundert. «Glaubst du, er könnte etwas mit Nilgüns Tod zu tun haben und uns seine Verzweiflung nur vorspielen?»
    Steenhoff zuckte mit den Achseln. «Du weißt genauso gut wie ich, dass 90   Prozent aller Tötungsdelikte von jemandem aus dem näheren sozialen Umfeld der Opfer begangen werden. Und es war wohl kaum jemand näher dran an Nilgün als Roman. Vielleicht wollte ihn das Mädchen verlassen, und er ist durchgedreht?»
    «Und wie passt der merkwürdige Fundort zu deiner Theorie?»
    «Gar nicht», erwiderte Steenhoff trocken. Er öffnete das Dienstauto und machte Petersen ein Zeichen einzusteigen. «Deswegen bringen wir auch erst die Haarbürste ins Labor und fahren dann erst nach Walle.»

06
    Saliha öffnete behutsam ihre Zimmertür. Durch den schmalen Spalt sah sie einen kleinen Ausschnitt des Wohnzimmers. Die weiß gestrichene Wand über dem Sofa war nackt bis auf zwei dunkel gebeizte Holzplatten, auf denen in geschwungenen, arabischen Schriftzeichen Koranverse zu lesen waren. Ihr Vater hatte die Verse rahmen und hinter Glas setzen lassen. Saliha hatte vergessen, was sie besagten. Im Gegensatz zu ihrem Vater Kemal und ihren Brüdern ging Saliha nur selten in die Moschee. Sie traf ihre Freundinnen lieber in der Schule oder beim Sport. Ihr Vater zwang sie nicht, in der Moschee zu beten. Er vertrat die Ansicht, dass seine Kinder selbst den Weg zu Allah finden müssten. Auchüberließ er seinen Töchtern die Entscheidung, ob sie ein Kopftuch tragen wollten oder nicht.
    Ihre
Anne
ging schon als Mädchen in der Türkei nicht ohne Kopfbedeckung vor die Tür. Und auch in Deutschland hatte sie das Kopftuch außerhalb des Hauses nie abgelegt. Dennoch bestand Besma Cetin nicht darauf, dass ihre Töchter es ihr gleichtun sollten. Saliha war deshalb sehr stolz auf ihre Eltern. Obwohl sie beide auf dem Dorf geboren waren, weit entfernt von der nächsten Stadt, ließen sie ihren Kindern mehr Freiheiten als viele andere Familien aus der Nachbarschaft. Sie vertrauten ihren Töchtern, dass sie niemals die Familienehre beflecken würden. So hatten Nilgün und Saliha auf jede Klassenfahrt mitfahren dürfen. Ihr
Baba
hatte sich lediglich jedes Mal vorher von der Klassenlehrerin in die Hand

Weitere Kostenlose Bücher