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Ehrenhüter

Ehrenhüter

Titel: Ehrenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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sich ein zehnjähriger Knirps vor ihr auf und fragte stolz: «Soll ich dir einen Zaubertrick zeigen?»
    Navideh stand nicht der Sinn nach Zaubertricks. Siehatte auf dem Rückweg ins Präsidium nur etwas Obst und ein paar Brote von zu Hause holen wollen. Aber der Junge strahlte sie so erwartungsvoll an, dass sie widerstrebend mitspielte. «Okay, dann zeig mal, was du kannst.»
    «Ich wette mit dir, dass du farbenblind bist», sagte er und schaute sie verschmitzt an. «Alle Erwachsenen sind farbenblind. Selbst Mama konnte Gelb nicht von Rot unterscheiden.»
    «Na, hoffentlich fährt sie dann nicht Auto», erwiderte Navideh trocken.
    «Nee. Sie fährt nur Rad. So wie du.» Er musterte ihr Mountainbike mit Kennerblick. «Aber nicht so ein cooles, sondern nur so’n Oma-Rad.»
    «Und wie geht der Trick nun?» Leicht ungeduldig nahm Navideh den Faden wieder auf.
    Der Junge holte ein zerknittertes Blatt Papier aus der Hosentasche und versuchte, es mit der rechten Hand glatt zu streichen. Auf dem Zettel standen sechs Begriffe in unterschiedlichen Farben. «Du musst die Wörter einfach nur laut vorlesen», sagte er, und seine Stimme bebte vor Aufregung. «Ich habe die Seite vorher verhext. Wetten, du kannst die Wörter nicht richtig lesen?»
    Die Sache begann Navideh langsam Spaß zu machen. Amüsiert stellte sie ihr Rad an einem Zaun ab und folgte dem Jungen an einen Tapeziertisch, auf den er das Papier legte. Neugierig scharten sich mehrere Kinder um die beiden.
    «Und los!», befahl der Zehnjährige und drückte Navideh mit wichtigem Gesichtsausdruck den Zettel in die Hand.
    Das erste Wort war in gelber Schrift geschrieben und lautete «Rot». Das nächste, «Grün», stand in blauer Schrift auf dem Papier, darunter folgte der Begriff «Grün» in schwarzerSchrift. Schon bei den ersten drei Wörtern verhaspelte sich Navideh. Die Kinder schütteten sich aus vor Lachen.
    «Du kannst wirklich verdammt gut hexen», sagte sie anerkennend.
    «Willst du noch einen Zaubertrick sehen?», fragte der Junge. Drei Kinder nickten begeistert an Navidehs Stelle. Die Ablenkung tat ihr gut.
    «Also meinetwegen, noch einen Trick. Aber dann muss ich los.»
    Der Junge holte ein lilafarbenes Tuch aus seiner Hosentasche und hielt es vor ihr in die Luft. «Siehst du, es ist nur ein Tuch und nichts weiter   …» Er stopfte sich das Tuch in den Ärmel und ging einen Schritt zur Seite. Das war der Moment, in dem Navideh sah, wie der Jongleur plötzlich alle Bälle fallen ließ und in einem atemberaubenden Sprint an den Tischen vorbeiflitzte. Ratlos starrte Petersen ihm nach. Dann suchte ihr Blick instinktiv ihr Rad. Es war nicht mehr da!
    Navideh stieß einen lauten Fluch aus. In den wenigen Minuten, in denen sie mit den Kindern gespielt hatte, war ihr Mountainbike geklaut worden.
    «Der da hat es genommen», sagte ein Mädchen erschrocken und zeigte auf einen Mann, der in wenigen hundert Metern Entfernung auf ihrem Rad in eine Seitenstraße bog. Dicht gefolgt von dem Jongleur. Wütend nahm auch Navideh die Verfolgung auf. Sie merkte nicht, dass eine Traube von Kindern es ihr gleichtat. Die Verfolgung eines echten Diebes war allemal spannender als die besten Zaubertricks. Die ungewöhnliche Truppe von Verfolgern kam jedoch nicht weit. Vom anderen Ende der Wohnstraße kam ihnen plötzlich der Jongleur entgegen. Er saß auf Navidehs Mountainbike und klingelte fröhlich. Einige Kinder klatschten begeistert.
    Kurz vor Navideh stoppte der Mann.
    «Wo ist er hin?», erkundigte sie sich atemlos.
    «Wer?»
    «Na, der Dieb!»
    «Keine Ahnung. In irgendeiner Seitenstraße entschwunden. Ich glaube Richtung Sielwall. Der Typ sah aus wie ein Junkie.» Der Jongleur stieg ab und hielt ihr triumphierend das Rad hin. «Bitte schön.»
    «Wie sah er aus und wie war er gekleidet?», fragte Navideh ungeduldig.
    «Überlass die Verfolgung mal besser der Polizei», erwiderte der junge Mann.
    «Ich bin Polizistin. Also, wie sah er aus?»
    Neugierig musterte sie der Jongleur. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Gleich würde er ihr sagen, dass sie überhaupt nicht wie eine Polizistin aussah. Sie konnte den Spruch nicht mehr hören. Aber der Mann sagte nur schlicht: «Ich komme mit und zeige dir den Typ. Wenn du ihn dann festnimmst, bewache ich dein Rad. Zwei Kurzstreckenrekorde an einem Tag schaffe ich nicht.»
    Navideh zögerte, doch dann gab sie sich einen Ruck. «Okay, setz dich hinten drauf.»
    Das Gewicht des Mannes auf dem Gepäckträger ließ sie einen Moment

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