Ehrensache
des Mannes.
An einem Finger ein Ehering, an einem anderen ein Siegelring. Gregor Jacks linke Hand zierte nur
ein breiter goldener Reif. Dieser steckte jedoch nicht am Ringfinger, sondern an dem Finger
daneben. An dem Finger, an dem man üblicherweise den Ehering trägt, war das Ekzem...
Und Helen Greig? Ein paar Modeschmuckringe an beiden Händen, aber sie war offensichtlich weder
verlobt noch verheiratet.
»Auf Wiedersehen.«
Helen Greig war bereits vorausgegangen, doch sie wartete neben dem Wagen auf ihn. In ihrer
rechten Hand klimperten die Schlüssel.
»Arbeiten Sie schon lange für Mr. Jack?«
»Lange genug.«
»Ist bestimmt harte Arbeit, so als Abgeordneter. Sicher muss er ab und zu mal
ausspannen...«
Sie blieb stehen und starrte ihn wütend an. »Jetzt kommen Sie auch noch damit! Sie sind genauso
schlimm wie die da!« Sie deutete mit den Schlüsseln auf das Tor und die Meute dahinter. »Ich will
kein Wort gegen Gregor hören.«
Mit forschen Schritten ging sie weiter.
»Er ist also ein guter Arbeitgeber?«
»Er ist überhaupt nicht wie ein Arbeitgeber. Meine Mutter war letzten Herbst krank. Da hat
er mir eine Sonderzulage gegeben, damit ich mit ihr ein paar Tage an die See fahren konnte. So
ein Mensch ist er.« Sie hatte Tränen in den Augen, es gelang ihr aber, sie zurückzuhalten. Die
Reporter reichten die Tassen herum und beklagten sich über zu viel oder zu wenig Zucker. Von den
beiden Gestalten, die sich ihnen näherten, schienen sie jedenfalls nicht viel zu erwarten.
»Erzählen Sie uns doch was, Helen.«
»Nur ein paar Worte mit Gregor, und dann können wir alle nach Hause gehen. Wir müssen doch
schließlich auch an unsere Familien denken.«
»Ich verpass das Abendmahl«, scherzte einer von ihnen.
»Du meinst, du verpasst dein Mittagspint«, entgegnete ein anderer.
Einer von den Lokalreportern - den Akzenten nach zu urteilen waren nicht viele davon da - hatte
Rebus erkannt.
»Inspector, haben Sie uns irgendwas zu sagen?« Beim Wort »Inspector« wurden sichtlich einige
Ohren gespitzt.
»Ja«, sagte Rebus, woraufhin Helen Greig erstarrte.
»Zieht Leine.«
Die meisten lächelten darüber, doch einige stöhnten laut. Helen Greig öffnete das Tor, um Rebus
hinauszulassen. Als sie es schon wieder schließen wollte, stemmte er sich mit seinem ganzen
Gewicht dagegen, beugte sich zu der jungen Frau hinab und hielt den Mund dicht an ihr Ohr.
»Ich muss noch mal rein, ich hab was vergessen.«
»Was denn?«
»Genauer gesagt, Mr. Jack hat etwas vergessen. Er wollte, dass ich nach seiner Frau sehe, für den
Fall, dass sie die Nachricht schlecht aufnimmt...«
Er wartete, bis die Botschaft angekommen war. Helen Greig verzog den Mund zu einem lautlosen O.
Die Botschaft war angekommen.
»Ich hab bloß vergessen«, fuhr Rebus fort, »nach der Adresse zu fragen.«
Damit die Reporter nichts hören konnten, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm
ins Ohr: »Deer Lodge. Das ist zwischen Knockandhu und Tomnavoulin.«
Rebus nickte und erlaubte ihr nun, das Tor zuzumachen und abzuschließen. Seine Neugier war nicht
gerade gestillt. Im Gegenteil, sie war seit seiner Ankunft ständig gewachsen. Knockandhu und
Tomnavoulin, die Namen von zwei Malt-Whiskys. Sein Verstand sagte ihm, er sollte nie wieder etwas
trinken. Sein Herz erzählte ihm etwas anderes...
Verdammt, er hatte Patience von Holmes aus anrufen sollen, um ihr zu sagen, dass er auf dem Weg
zu ihr war.
Nicht dass sie über jeden Schritt von ihm Rechenschaft erwartete... aber trotzdem. Er ging auf
den Reporter zu, den er kannte, den Mann von der Lokalzeitung, Chris Kemp.
»Hallo, Chris, haben Sie Telefon im Auto? Darf ich das mal kurz benutzen...?«
»Na, wie war denn eure Menage à trois ?«, fragte Dr. Patience Aitken.
»Nicht schlecht«, sagte Rebus, bevor er sie auf den Mund küsste. »Und wie war deine Orgie?«
Sie verdrehte die Augen. »Fachsimpelei und verkochte Lasagne. Du hast es also nicht nach Hause
geschafft?«
Rebus sah sie verblüfft an. »Ich hab versucht, bei dir in Marchmont anzurufen, aber da warst du
auch nicht. Dein Anzug sieht aus, als hättest du darin geschlafen.«
»Ist der verdammte Kater schuld.«
»Lucky?«
»Er hat auf meinem Jackett Twist getanzt, bis ich es vor ihm retten konnte.«
»Twist? Nichts verrät mehr über das wirkliche Alter eines Mannes als die Tänze, die er
kennt.«
Rebus begann, den Anzug auszuziehen. »Du hast nicht zufällig etwas Orangensaft da?«
»Hast wohl `nen dicken Kopf?
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