Ehrensache
Mann ins Wort, »was gibt's denn für schmutzige Geschichten über
Gregor Jack?« Chris Kemp schien zu glauben, dass es davon reichlich gab, und das Thema Gregor
Jack heiterte Patience so weit auf, dass sie für eine Weile vergaß, wie unwohl sie sich in diesem
Pub fühlte.
Rebus interessierte sich hauptsächlich für Elizabeth Jack, doch Kemp fing mit dem Abgeordneten
selbst an, und was er über ihn zu sagen hatte, klang interessant. Das war ein anderer Jack, nicht
nur anders als sein öffentliches Image und die allgemeine Meinung, sondern auch anders als der
Eindruck, den Rebus während seiner Begegnung mit dem Mann gewonnen hatte. Zum Beispiel hätte er
Jack nicht für einen Trinker gehalten.
»Kippt reichlich Whisky in sich hinein«, sagte Kemp gerade. »Vermutlich mehr als eine halbe
Flasche pro Tag, angeblich noch mehr, wenn er in London ist.«
»Er sieht nie betrunken aus.«
»Weil er nicht betrunken wird. Aber trinken tut er trotzdem.«
»Was noch?«
Es gab noch mehr, sehr viel mehr. »Er kann gut mit Leuten umgehen, ist aber gerissen. Durch und
durch gerissen. Ich würde ihm nicht weiter trauen, als ich spucken kann. Ich kenne jemand, der
mit ihm an der Uni war. Der sagt, Gregor Jack hätte in seinem ganzen Leben nie etwas getan, was
nicht genau geplant war. Und das gilt auch dafür, wie er sich Mrs. Gregor Jack an Land
gezogen hat.«
»Wie meinen Sie das?«
»Man munkelt, dass sie sich an der Uni kennen gelernt haben, bei einer Party. Gregor hatte sie
schon vorher gesehen, aber nicht sonderlich auf sie geachtet. Nachdem er jedoch erfahren hatte,
dass sie reich war, war das eine andere Sache. Da hat er voll aufgedreht, ihr mit seinem
Charme das Höschen vom Leib geschwatzt.« Er wandte sich zu Patience. »Entschuldigung, war wohl
keine gute Wortwahl.«
Patience, die beim zweiten Gin Tonic war, neigte nur den Kopf ein wenig.
»Er ist also berechnend. Sie dürfen nicht vergessen, dass er ein ausgebildeter Buchhalter ist,
und er hat die Mentalität eines Buchhalters. Was möchten Sie trinken?«
Doch Rebus war bereits aufgestanden. »Nein, Chris, lassen Sie mich die Getränke holen.«
Aber davon wollte Kemp nichts wissen. »Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Ihnen das alles bloß
für ein paar Bier erzähle, Inspector...«
Und nachdem Kemp die Getränke gekauft und zum Tisch gebracht hatte, schien er immer noch diesem
Gedanken nachzuhängen.
»Warum wollen Sie das alles überhaupt wissen?«
Rebus zuckte die Schultern.
»Steckt da eine Geschichte drin?«
»Könnte sein. Ist aber noch zu früh.«
Nun redeten sie rein professionell, die eigentliche Botschaft lag in dem, was ungesagt
blieb.
»Aber es könnte eine Geschichte drinstecken?«
»Wenn da eine ist, Chris, dann gehört sie Ihnen, soweit ich das entscheiden kann.«
Kemp trank einen großen Schluck Bier. »Wissen Sie, ich war den ganzen Tag dort draußen. Und
alles, was wir bekommen haben, war eine Erklärung. Kurz und bündig. Kein zusätzlicher Kommentar
und so weiter. Die Geschichte hat also mit Jack zu tun?«
Rebus zuckte erneut die Schultern. »Ist noch zu früh. Das war jedoch interessant, was Sie da über
Mrs. Jack erzählt haben...«
Doch Kemps Blick blieb kühl. »Ich kriege die Geschichte als Erster?«
Rebus rieb sich den Nacken. »Soweit ich das entscheiden kann.«
Kemp schien das Angebot abzuschätzen. Wie Rebus wusste, gab es nicht viel abzuschätzen, weil das
Angebot minimal war. Dann stellte Kemp sein Glas auf den Tisch.
Er war bereit, noch ein wenig mehr zu erzählen.
»Was Jack damals nicht über Liz Ferrie wusste, war, dass sie zu einem ziemlich lockeren Haufen
gehörte. Locker und sehr reich. Gregor brauchte eine ganze Weile, bis er sich bei der Clique
einschmeicheln konnte. Er war schließlich ein Arbeiterkind. Immer noch schlaksig und ein bisschen
unbeholfen. Doch er hat sich Liz geangelt. Wohin er ging, da ging auch sie hin, und so weiter.
Und Jack hatte seine eigene Clique. Die hat er immer noch.«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
»Hauptsächlich alte Schulfreunde, ein paar Leute, die er an der Uni kennen gelernt hat. Sein
Kreis, könnte man sagen.«
»Einer von denen hat einen Buchladen, nicht wahr?«
Kemp nickte. »Das ist Ronald Steele. Wird von der Clique Suey genannt. Deshalb heißt der Laden
auch Suey Books.«
»Merkwürdiger Spitzname«, sagte Patience.
»Ich weiß auch nicht, wie er an den gekommen ist«, gab Kemp zu. »Ich würde es gern wissen, aber
ich weiß es nicht.«
»Wer gehört
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