Ehrensache
Frau. »Alles in Ordnung, Cath?«
»Prima, Rab.«
Kinnoul sah Rebus wieder an. Das Grinsen war verschwunden. »Vielleicht möchten Sie sich die
Bibliothek ansehen, Inspector? Dort können Sie auch mit Cath plaudern.«
»Danke, Sir.«
Rebus fuhr über Nebenstraßen zurück nach Edinburgh. Die waren hübscher und ganz bestimmt ruhiger.
In der Kinnoul- Bibliothek hatte er sehr wenig erfahren, außer dass Kinnoul offenbar ein starkes
Bedürfnis hatte, seine Frau zu beschützen, so stark, dass er nicht in der Lage gewesen war, Rebus
mit ihr allein zu lassen. Wovor hatte er Angst? Er war in der Bibliothek herumgeschlichen, hatte
so getan, als würde er schmökern, und sich schließlich mit einem Buch hingesetzt. Doch die ganze
Zeit hatte er zugehört, wie Rebus seine simplen Fragen stellte und dann Cath Kinnoul die kleine
Liste gab und sie bat, auf diese Titel zu achten.
Und sie hatte mit den Fingern über das fotokopierte Blatt gestrichen und genickt.
Die »Bibliothek« war ein Zimmer im Obergeschoss des Hauses, das sicherlich ursprünglich als
Schlafzimmer vorgesehen gewesen war. An zwei Wänden waren Regale angebracht, die meisten mit
Schiebeglastüren versehen.
Und hinter diesen Glasscheiben stand eine langweilige Ansammlung von Büchern - langweilig für
Rebus' Augen, doch sie schienen genau das Richtige, um Cath Kinnoul aus ihren Tagträumen zu
reißen. Sie wies Rebus auf einige besondere Stücke hin.
»Schöne Erstausgabe... neu gebunden in Kalbsleder... einige Seiten noch nicht aufgeschnitten.
Stellen Sie sich das mal vor, dieses Buch wurde 1789 gedruckt, aber wenn ich diese Seiten
aufschneiden würde, wäre ich die Allererste, die sie liest. Ja, und das ist eine Creech-Ausgabe
von Burns ... das erste Mal, dass Burns überhaupt in Edinburgh veröffentlicht wurde. Und ich hab
auch einige moderne Bücher. Da ist Muriel Spark... Mitternachtskinder... George
Orwell...«
»Haben Sie die alle gelesen?«
Sie sah Rebus an, als hätte er sie nach ihren sexuellen Vorlieben gefragt. Kinnoul mischte sich
ein.
»Cath ist Sammlerin, Inspector.« Er kam herüber und legte einen Arm um sie. »Es hätten genauso
gut Briefmarken oder Porzellan oder alte Puppen sein können, nicht wahr, Liebes? Aber zufällig
sind es Bücher. Sie sammelt Bücher.« Er drückte sie an sich. »Sie liest sie nicht, sie sammelt
sie.«
Rebus schüttelte den Kopf und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. Er hatte ein
Rolling-Stones-Band in den Kassettenrecorder seines Autos geschoben. Das regte zu konstruktivem
Denken an. Auf der einen Seite war da also Professor Costello mit seiner wunderbaren Bibliothek,
deren Bücher immer wieder gelesen wurden, ein Vermögen wert waren, aber trotzdem dazu da, um
ausgeliehen zu werden... um gelesen zu werden. Und auf der anderen Seite war Cath Kinnoul.
Er wusste nicht genau, warum sie ihm Leid tat. Es konnte nicht leicht sein, mit jemandem
verheiratet zu sein, der... ja, das hatte sie selbst gesagt.
Außer dass sie in dem Moment über Elizabeth Jack gesprochen hatte. Rebus war neugierig auf Mrs.
Jack. Ja, er war mittlerweile fasziniert von ihr. Er hoffte, dass er sie bald kennen
lernen würde...
Der Anruf aus Dufftown kam genau in dem Moment, als er sein Büro betrat. Auf der Treppe hatte ihm
jemand ein neues Gerücht erzählt. Mitte nächster Woche würde offiziell mitgeteilt werden, dass
Great London Road geschlossen werden sollte. Das heißt für mich, zurück nach Marchmont, dachte
Rebus.
Das Telefon klingelte. Es klingelte immer entweder genau dann, wenn er gerade reinkam oder wenn
er gerade rausgehen wollte. Ansonsten konnte er stundenlang auf seinem Stuhl sitzen und nicht ein
einziges Mal...
»Hallo, hier Rebus.«
Es folgte Schweigen und so viel Knacken und Rauschen in der Leitung, als käme der Anruf aus
Sibirien.
»Ist dort Inspector Rebus?«
Rebus seufzte und ließ sich auf seinen Stuhl sinken. »Am Apparat.«
»Hallo, Sir. Die Verbindung ist wirklich schrecklich. Hier ist Constable Moffat. Sie hatten darum
gebeten, dass jemand nach der Deer Lodge sieht.«
Rebus war sofort ganz Ohr. »Das ist richtig.«
»Nun ja, Sir, ich komme gerade von dort und...« Und es folgte ein Geräusch wie von einem
durchgeknallten Geigerzähler. Rebus hielt den Hörer ein Stück vom Ohr entfernt. Als das Geräusch
aufhörte, sprach der Constable immer noch. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sonst noch berichten
soll, Sir.«
»Als Erstes können Sie mir den ganzen Scheiß noch mal
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