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Ehrensache

Titel: Ehrensache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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die
Straße, wo genau in diesem Moment ein Auto heftig bremste und mit dem Blinker signalisierte, dass
es in die Einfahrt des Bauernhofs abbiegen wollte. »Und wer ist das?«
Moffat drehte sich um, dann lächelte er kühl. »Ihr Sohn Alec. Ein ziemlicher Rabauke. Der wird
uns nichts sagen.«
»Gerät wohl häufiger in Schwierigkeiten?«
»Meistens wegen zu schnellem Fahren. Er ist einer von den jugendlichen Rennfahrern hier. Ich
kann's ihm noch nicht mal verdenken. Hier ist für junge Leute nicht viel los.«
»Sie sind doch selber kaum dem Teenageralter entwachsen, Constable. Und Sie haben sich nicht in
Schwierigkeiten gebracht.«
»Ich hatte die Kirche, Sir. Glauben Sie mir, die Ehrfurcht vor Gott kann einen ganz schön auf
Trab halten...«

Rebus' Wirtin, Mrs. Wilkie, konnte einen ebenfalls ganz schön auf Trab halten. Das wurde Rebus
sofort klar, als er sich in seinem Zimmer umziehen wollte. Es war ein hübsches Zimmer, ein
bisschen überladen zwar mit allen möglichen Kinkerlitzchen, aber es hatte ein bequemes Bett und
einen 30-cm-Schwarzweißfernseher. Mrs. Wilkie hatte ihm die Küche gezeigt und gesagt, er sollte
sich ruhig jederzeit Tee oder Kaffee kochen, wenn ihm danach wäre.
Dann hatte sie ihm das Badezimmer gezeigt und gesagt, das Wasser wäre heiß, falls er ein Bad
nehmen wollte. Dann hatte sie ihn wieder in die Küche geführt und gesagt, er könnte sich
jederzeit Tee oder Kaffee kochen, wenn ihm danach wäre. Rebus brachte es nicht übers Herz, ihr zu
sagen, dass er das alles schon gehört hatte. Sie war sehr klein und hatte eine piepsige Stimme.
Zwischen seinem ersten und seinem zweiten Besuch hatte sie ihre besten Pensionswirtinnenkleider
angezogen und eine Perlenkette um den Hals gelegt. Er schätzte sie auf Ende Siebzig. Sie war
Witwe. Ihr Mann Andrew war 1982 gestorben, und sie sagte, sie machte die Pension »sowohl wegen
der Gesellschaft als auch wegen des Geldes«. Anscheinend bekam sie immer nette Gäste,
interessante Leute wie den Marmeladeneinkäufer aus Deutschland, der letzten Herbst ein paar
Nächte geblieben war...
»Und das ist Ihr Zimmer. Ich hab es ein bisschen gelüftet und...«
»Es ist sehr hübsch, danke.« Rebus stellte seine Tasche auf das Bett, doch als er Mrs. Wilkies
Unheil verkündenden Blick sah, nahm er die Tasche wieder vom Bett und stellte sie auf den
Boden.
»Die Tagesdecke hab ich selbst gemacht«, sagte sie lächelnd. »Jemand hat mir mal vorgeschlagen,
ich sollte das professionell machen, meine Decken verkaufen. Aber in meinem Alter ...« Sie lachte
in sich hinein. »Das war dieser Herr aus Deutschland. Er war in Schottland, um Marmelade
einzukaufen. Ist das denn zu glauben? Er ist mehrere Nächte geblieben...«
Irgendwann erinnerte sie sich wieder an ihre Pflichten.
Sie würde jetzt in die Küche gehen und ihnen beiden ein kleines Abendessen machen. Abendessen.
Rebus sah auf seine Uhr. Falls sie nicht stehen geblieben war, war es noch nicht mal halb sechs.
Aber was soll's, er hatte Übernachtung und Frühstück gebucht, und eine warme Mahlzeit an diesem
Abend wäre ein zusätzlicher Service.
Moffat hatte ihm beschrieben, wie er zum nächsten Pub käme - »Touristenkneipe, Touristenpreise«
-, bevor er ihn den unbestrittenen Vergnügungen von Dufftown überließ.
Die Ehrfurcht vor Gott...
Er hatte gerade seine Hose ausgezogen, da ging die Tür auf und Mrs. Wilkie stand im Zimmer.
»Bist du das, Andrew? Ich dachte, ich hätte ein Geräusch gehört.« Ihre Augen hatten einen
glasigen, verträumten Blick. Rebus stand erstarrt da, dann schluckte er.
»Geh und mach uns was zu essen«, sagte er ganz ruhig.
»O ja«, sagte Mrs. Wilkie. »Du musst hungrig sein. Du warst ja so lange fort...«
Dann lockte ihn die Idee, rasch ein Bad zu nehmen. Er warf erst einen Blick in die Küche und sah,
dass Mrs Wilkie geschäftig am Herd stand und vor sich hin summte.
Dann ging er ins Badezimmer. Die Tür hatte kein Schloss.
Das heißt, es war schon eines da, aber der Bügel am Türrahmen hing lose herunter. Er schaute sich
um, fand aber nichts, womit er die Tür verkeilen könnte. Also beschloss er, das Risiko
einzugehen, und drehte beide Hähne auf. Das Wasser hatte einen wahnsinnig starken Druck, und die
Wanne füllte sich schnell und dampfend.
Rebus zog sich aus und ließ sich ins Wasser gleiten. Seine Schultern waren steif von der Fahrt,
und er massierte sie, so gut er konnte. Dann zog er die Knie an, sodass Schultern, Hals und Kopf
ins Wasser

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