Ehrensache
Aktenschranks. Er wandte sich wieder dem Schreibtisch zu. Keine voll geschriebenen Blätter,
die unter leere Seiten geschoben worden waren. Er sah den Stapel LPs neben der Stereoanlage
durch, aber da waren auch keine Notizen versteckt. Unter dem Sofa...
nein. Schränke... Schubladen... nein. Zum Teufel damit.
Er ging zu dem großen, eisernen Herd. Hinter drei oder vier Topfpflanzen versteckt stand ganz
hinten eine hässliche Trophäe. Kemps Auszeichnung als Nachwuchsjournalist des Jahres. Vorn auf
dem Herd stand eine Reihe Schmuckschachteln. Er öffnete eine davon. Sie enthielt einen
Anti-Atomkraft-Button und ein paar ANC-Ohrringe.
In einer anderen Schachtel war ein »Free-Nelson- Mandela«-Button und ein Ring, der aussah, als
wäre er aus Elfenbein geschnitzt. Gehörte wohl alles der Freundin. Und in der dritten
Schachtel... ein kleines Zellophanpäckchen mit Dope. Er lächelte. Wohl kaum genug, um jemanden zu
verhaften, höchstens vier Gramm. War es das, was Kemp unbedingt hatte verstecken wollen? Nun ja,
eine Vorstrafe wäre vermutlich nicht so gut für das Image eines »engagierten Journalisten«.
Schwierig, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ihre kleinen Laster vorzuhalten, wenn man
selbst wegen Drogenbesitz vorbestraft war.
Zum Teufel damit. Und nun musste er zu allem Überfluss auch noch dafür sorgen, dass er, ohne
gehört oder gesehen zu werden, aus der Wohnung kam. Das Wasser lief nicht mehr. Kein Geräusch,
das seinen Rückzug deckte... Er hockte sich neben den Herd und dachte nach. Vielleicht wäre die
rotzfreche Methode am besten. Einfach an der Tür vorbeigehen und irgendwas murmeln von wegen, man
hätte den Schlüssel vergessen. Klar doch, das würde Kemp ihm glatt abkaufen. Da könnte er genauso
gut fünf Pfund auf Cowdenbeath auf den Gewinn von Meisterschaft und Pokal setzen.
Er merkte, wie er beim Nachdenken auf den kleinen Backofen des Herds starrte, vielmehr auf die
geschlossene Tür des Backofens. Die Blätter einer Grünlilie hingen auf die Tür herab, zwei davon
waren eingeklemmt. Die Armen, das konnte er doch wohl nicht zulassen, oder? Also öffnete er die
Tür und befreite die Blätter. In dem Backofen lagen einige Bücher. Alte gebundene Bücher. Er nahm
eines heraus und betrachtete den Buchrücken.
John Knox über die Vorsehung. Na, wenn das kein Zufall war.
Die Badezimmertür flog nach innen auf.
»Verdammt noch mal!« Chris Kemp, der nur mit dem Kopf aus dem Wasser schaute, schoss hoch. Rebus
schlenderte zur Toilette, klappte den Deckel herunter und machte es sich bequem.
»Lassen Sie sich von mir nicht stören, Chris. Ich wollte nur fragen, ob ich mir ein paar von
Ihren Büchern ausleihen kann.« Er schlug auf den Stapel, den er auf den Knien hielt, alle sieben
Stück. »Ich weiß nämlich ein gutes Buch zu schätzen.«
Kemp wurde tatsächlich rot. »Wo ist Ihr Durchsuchungsbeschluss?«
Rebus machte ein erstauntes Gesicht.
»Durchsuchungsbeschluss? Wozu brauche ich einen Durchsuchungsbeschluss? Ich möchte doch nur ein
paar Bücher ausleihen, mehr nicht. Dachte, ich zeig sie meinem alten Freund Professor Costello.
Sie kennen doch Professor Costello? Auf so was hier ist der ganz versessen. Es gibt doch wohl
keinen Grund, weshalb ich die Bücher nicht ausleihen sollte... oder? Aber wenn Sie wollen,
besorge ich mir erst diesen Durchsuchungsbeschluss und...«
»Verpiss dich.«
»Sprache, junger Mann«, sagte Rebus tadelnd.
»Vergessen Sie nicht, dass Sie Journalist sind. Sie sind dafür da, unsere Sprache zu schützen.
Entwerten Sie sie nicht. Damit entwerten Sie sich nur selbst.«
»Ich dachte, Sie wollten, dass ich Ihnen einen Gefallen tue?«
»Was? Sie meinen die Geschichte über Jack und seine Schwester?« Rebus zuckte die Schultern. »Ich
dachte, ich tue Ihnen einen Gefallen. Ich weiß doch, wie junge Reporter sind. Die
würden alles dafür geben...«
»Was wollen Sie von mir?«
Rebus beugte sich vor. »Wo haben Sie die her, Chris?«
»Die Bücher?« Kemp fuhr sich mit den Händen durch die glatten Haare. »Die sind von meiner
Freundin. Soweit ich weiß, hat sie die in der Bibliothek ausgeliehen...«
Rebus nickte. »Das ist eine plausible Geschichte. Ich bezweifle zwar, dass sie Ihnen aus der
Klemme helfen würde, aber es ist eine plausible Geschichte. Doch leider erklärt sie nicht,
weshalb Sie die Bücher versteckt haben, als Sie wussten, dass ich zu Ihnen wollte.«
»Versteckt? Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden.«
Rebus lachte in sich
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