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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Studienjahr der Law School entscheiden, welche Studenten sie nach dem Examen anstellen wollen, und Studenten sich über die Firmen informieren – bei Wiggins & O’Reilly gearbeitet, einer Kanzlei, die, obwohl einer ihrer Gründer einen irischen Namen hatte und deshalb Assoziationen an Winkeladvokaten weckte, ganz oben an der Spitze der arrivierten New Yorker Juristen stand. Man hatte George angeboten, ihn fest einzustellen, und da er bei seinem Praktikum gute Erfahrungen gemacht hatte, wollte er das Angebot annehmen.
    Daß Lee Sears & Bowditch ihre Aufträge meistens an Wiggins vergeben und damit die wichtigsten Mandanten der Kanzlei sind, hat mir nicht geschadet, sagte er. Dann korrigierte er sich: sehr wichtige Mandanten, sollte ich vielleicht sagen; derartig spezifische Informationen halten sie besonders geheim. Auch in Zukunft, wenn die Kanzlei entscheidet, wer Partner werden soll, dürfte es nicht schaden.
    Lee Sears war die Investmentbank, deren Seniorpartner und Haupteigentümer Edies Vater war, das wußte ich. Ichfragte George, ob er den Sommer über bei den Bowditchs gewohnt habe. Er lachte und sagte, das hätten Edie und er sich zwar so vorgestellt, aber als Edie beschlossen hatte, auch häufig in New York zu sein, hätten beide Elternpaare einen Riegel vorgeschoben. Sie wollen der jungen Liebe den Weg auf keinen Fall zu sehr ebnen. Statt dessen habe er zusammen mit einem Yalie, einem Mitbewohner von der Law School, in einem untervermieteten Apartment gewohnt. Aber an den Wochenenden sei er entweder in das Sommerhaus der Bowditchs in Syosset oder mit Edie nach Stockbridge gefahren. Nur zu diesem Zweck habe er sein Auto mit nach New York genommen.
    Dann legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte: Du als mein jüngerer Bruder wirst doch mein Trauzeuge sein, darauf baue ich. Das heißt, du mußt dich im Juni hier in der Gegend aufhalten. Ich sag es dir so früh, weil ich nicht möchte, daß du dich aus dem Staub machst, und auch, damit du dir von deinem Schneider den Cut bauen lassen kannst, den du immer schon haben wolltest.
    Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, und umarmte ihn. Er kannte mich inzwischen so gut wie Henry oder besser, und unsere Freundschaft, die ich viele Jahre lang für unmöglich gehalten hatte, überraschte mich jetzt durch ihre Stabilität. Daran lag mir mehr denn je, denn er und Henry waren mir genauso wichtig wie früher, aber ich wußte, ich entfernte mich mehr und mehr von ihnen und würde darauf angewiesen sein, daß sie mich mit Nachsicht und Bereitwilligkeit zu meinen neuen Bedingungen akzeptierten. Zwangsläufig hatten meine erfundenen Romanpersonen den größten Anspruch auf meine Aufmerksamkeit; sie beschäftigten mich mehr und sicherlich intensiver als alle realen Personen.
    George merkte, daß ich bewegt war und dringend einen Themenwechsel brauchte, also fragte er nach meiner Mutter. Ich sagte, wahrscheinlich könne er mir mehr Auskunft geben als ich ihm. Ich sei erst seit einer Woche wieder in New York und hätte noch keine Fahrt nach Lenox planen können.
    Ich habe sie im Sommer manchmal gesehen, erzählte er, im Club. Sie und dieser Richardson haben viele Doppel gespielt. Er ist ein ausgezeichneter Spieler. Sie haben ihm eine Mitgliedskarte für den Sommer ausgestellt, damit er mit deiner Mutter am Labor-Day-Turnier teilnehmen konnte. Die beiden wurden Erste und haben die Lelands ziemlich alt aussehen lassen. Man munkelt, daß deine Mutter und Richardson heiraten wollen. Das ist doch ein Glück, oder?
    Für meine Mutter sei es bestimmt eines, wenn es zutreffe, sagte ich. Über meine eigenen Gefühle müsse ich mir erst noch klarwerden.
    Als ich in das Restaurant kam, war Henry schon da und starrte düster auf eine Flasche Chianti, die vor ihm auf dem Tisch stand. Als er mich sah, hellte sich seine Miene auf. Meine Bemerkung, er scheine ganz schrecklich in Gedanken versunken, wehrte er ab: Nein, es sei nichts. Dann sagte er, doch, es ist etwas Wichtiges. Er habe sich wegen seiner Arbeitsgruppe in der Law School den Kopf zerbrochen. Darin seien insgesamt fünf Studenten im ersten Jahr, und die anderen seien zwar intelligent und beherrschten das juristische Vokabular, das er erst lernen müsse, aber ehrlich gesagt, seien sie miese Typen. Ganz generell finde er die Studenten an der Law School im Vergleich zu denen am College einfach schrecklich, echte Triefel, und mit den vier Strebern in seiner Arbeitsgruppe versöhne ihn nur, daß sie Verstand hätten –

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