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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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übrigens nicht mehr als er. Nun frage er sich, ob manche Leute etwa annahmen, daß er genauso sei wie diese Typen, mit denen er nach eigener Entscheidungzusammenarbeitete. Ich fragte, warum er sich eigentlich mit ihnen zusammengetan hatte.
    Er sagte: Wir hatten uns alle fünf freiwillig gemeldet, in den Seminaren über Zivilrechtsverfahren und Vermögensrecht Fragen zu beantworten, oder wurden vom Professor dazu aufgefordert, und wir haben uns nicht blamiert. Diese beiden Professoren sind wirklich hart. Dann haben wir uns nach dem Seminar zufällig unterhalten, und jemand schlug vor, daß wir eine Arbeitsgruppe bilden sollten.
    Das klinge vernünftig, sagte ich, aber trotzdem hätte ich gedacht, daß er mit seinen Zimmergenossen eine Arbeitsgruppe bilden würde.
    Aber ich habe keine Zimmergenossen, antwortete er, im Harkness wohne ich allein. Ich wußte nicht, ob außer mir noch jemand aus unserem Jahrgang, den ich kenne, erst nach dem Militärdienst zur Law School gehen würde. Jetzt sehe ich, daß es ein paar Leute so gemacht haben, aber ich kenne keinen davon näher. Ganz sicher niemanden, den ich hätte fragen können, ob er mit mir zusammenwohnen will. Alle Leute, die ich im College kannte und mochte, sind in ihrem letzten Studienjahr – wie George. George gibt sich übrigens alle Mühe, mich mit Leuten bekannt zu machen und so. Er ist wirklich gut.
    Harkness war ein nüchternes modernistisches Wohnheim für Studenten der Law School und für Graduierte, ein Entwurf von Gropius, dem Mitbegründer des Bauhauses, von dem man Besseres erwartet hätte. Der einzige Vorteil des Wohnheims war die unmittelbare Nachbarschaft zur Langdell Library. Niemand, den man gern einladen würde, wohnte dort, nur die langweiligsten Graduierten, denen es blühte, von den Fakultätsmitgliedern in allen Abteilungen brüskiert zu werden. Der arme Henry hatte einen schlechten Start erwischt.
    Dann kam das Essen, und als wir weiterredeten, ginges um seine Eltern. Henry hatte ständig mit praktischen Problemen zu kämpfen, die sich aus den Geschäften seines Vaters ergaben. Hypotheken auf Mietshäuser, die sein Vater gekauft hatte, mußten bedient werden, man mußte sich um Reparaturen und Instandhaltungsarbeiten kümmern, für die der Vermieter zuständig war, und die Mieten eintreiben, um alles bezahlen zu können. Leerstehende Wohnungen gab es so selten, daß er wenigstens keine Mühe hatte, neue Mieter zu finden. Wie Dr. Berger, der Anwalt von Henrys Vater, versicherte, leistete der Hausverwalter gute Arbeit, aber Henry erinnerte sich, daß sein Vater gemeint hatte, man müsse diesem Verwalter auf die Finger sehen, und dazu hatte Henry weder Zeit noch Lust. Alles, was mit der Fabrik zu tun hatte, war noch komplizierter. Zum Glück hatte der Vater seinen besten Verkäufer zum Partner mit fünfzehn Prozent Umsatzbeteiligung gemacht. Dieser Mann war, wiederum nach Dr. Bergers Einschätzung, so kompetent und ehrlich, daß man ihm die Geschäftsleitung bis zum Verkauf überlassen konnte.
    Ich kann die Fabrik nicht den Bach runtergehen lassen, sagte Henry. Es handelt sich nicht nur um Geld, sondern auch um ungefähr vierzig Arbeitnehmer. Entweder bleibt das Unternehmen bestehen, und sie behalten ihre Arbeit, oder ich muß es sehr vorsichtig stillegen, so daß alle gut versorgt sind, mindestens die Beschäftigten, die schon da waren, als mein Vater die Fabrik übernommen hat.
    Weiter erzählte er mir, daß er noch nicht einmal versucht hatte, den Nachlaß im Haus an der Dorchester Road durchzusehen und alles, was er nicht brauchen konnte – nach seiner Schätzung fünfundneunzig Prozent von dem, was da war –, zu entsorgen. Um die Geschäftsunterlagen hatte Dr. Berger sich gekümmert, die waren also aus dem Weg, und mit dem Geld aus Lebensversicherungen seines Vaters würde er die Erbschaftssteuern bezahlen können. Vorläufigwollte er in der Dorchester Road alles so lassen, wie es war; die Putzfrau sollte bis zu seinen Sommerferien weiter zweimal pro Woche kommen. Dann würde er einziehen und so lange bleiben, bis er alles in Ordnung gebracht hatte und das Haus verkauft werden konnte. Wie er es schaffen solle, nicht den Verstand zu verlieren, während er in diesem Haus kampierte, wisse er noch nicht. Ein Hoffnungsschimmer in dem Ganzen war Dr. Bergers Überzeugung, daß die Fabrik vielleicht noch vor dem Sommer verkauft sei. Andererseits habe Berger ihm geraten, die Mietshäuser zu behalten, sie seien eine sehr gute Investition, und Henry

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