Ehrensachen
Bunde für Drinks aus. Der Grund lag auf der Hand: Als Romanautor gehörte ich zu den New Yorkern, die Phoebe kennenlernen wollte, und ich war ein lebender Beweis dafür, daß sie als Archies Freundin nicht dazu verdammt war, ausschließlich mit seinen Clubfreunden Voorhis, Schemerhorn, van Gelder und Phipps, Anwälten und Börsenmaklern, geselligen Umgang zu pflegen und sich deren behäbige Konversation über Veteranentreffen der Squadron A, Inszenierungen der Blue Hill Troupe, Mieten für Ferienhäuser in Amagansett und Newport und natürlich den Import irischer und britischer Kinderfrauen anzuhören. Zwar war auch Henry Anwalt wie Voorhis, und Phoebe fand Anwälte ungefähr genauso langweilig wie Börsenmakler, aber ihn mochte sie gern, weil er ein Büchernarr war wie sie. Allerdings hatte Archie von ihm noch weniger als von mir, denn er arbeitete an den meisten Abenden und vielen Wochenenden in seinem Büro.
Selbst die schweren Trinker aus meinem Jahrgang, die inzwischen in New York lebten, hatten ihren Alkoholkonsum auf ein bescheidenes, wenn auch regelmäßiges Rinnsal reduziert. Archie war eine bedenkliche Ausnahme, das entdeckte ich jedesmal wieder, wenn ich mich einer Einladung zum Dinner mit ihm und Phoebe nicht entziehen konnte. Er trank nicht weniger als am College, sondern mehr, und aus Phoebes Spott und Geschichten, die er zum Besten gab, selbstironisch wie früher, schloß ich, daß er sich immer noch betrank. Nicht nur auf Partys am Wochenende, sondern praktisch täglich. Der oder die ersten Martinis überzeugtenihn, daß es Grund zum Feiern gebe, und der Rest war eine eintönige Wiederholung des immer gleichen Musters. Unzählige, garantiert wirkende Heilmittel nach Rezepten besonders erfahrener Barkeeper sorgten dafür, daß er sich am Tag danach fast pünktlich zur Arbeit einfinden konnte, und retteten ihn über den Vormittag, bis es Zeit für ein Mittagessen und neuen Alkohol als Gegengift gegen den Kater war. Eine Geheimwaffe hatte er auch: eine Flasche Sauerstoff, die an seinem Bett bereitstand. Er versicherte mir, nach ein paar Atemzügen sei sein Kopf klar und die meisten oder gar alle anderen Symptome wie weggeblasen. Mir war es sehr unangenehm, ihm beim Trinken zuzusehen, und daß Phoebe ebenfalls Zeugin war, machte es nur schlimmer; ich fand, das gehörte sich nicht.
Die Nachricht, daß sie heiraten wollten – Archie erzählte es mir am Telefon –, überraschte mich. Ich hatte Phoebe mehr Verstand zugetraut. Die Verlobung war am nächsten Morgen in der New York Times angezeigt und wurde ein paar Tage später durch die Einladung zu einer Party bestätigt, die zwei Brüder, Grundpfeiler von Archies vornehmstem Club, für das Paar ausrichteten. Ich konnte nicht teilnehmen und lud die beiden statt dessen ein paar Wochen später zu einem Drink ins Plaza ein. Ich hatte auch Henry dazugebeten, aber er war in Washington und referierte im Finanzministerium über die Auswirkungen einer neu eingeführten Steuer auf das Unternehmen eines Mandanten. Daß Archie und Henry sich manchmal trafen, wußte ich, weil es beide erwähnten und weil Archie mir in einem Gespräch ungefähr zur Zeit der Verlobung erzählte, daß Henry wenig Gesellschaft habe. Er hätte ihm gern geholfen, indem er ihm Zutritt zu einem seiner Clubs verschaffte. Im Harvard Club, in dem Henry Mitglied sei, könne man nur Squash spielen, und das habe Henry aufgegeben, weil er zuviel arbeiten müsse. Wenn Henry im Union oder Racquet wäre,sähe alles ganz anders aus, aber das sei ausgeschlossen. Sie lassen ihn nicht rein, erklärte mir Archie.
Nicht lange danach kam sein Vorschlag, eigentlich mehr eine dringende Bitte, wir sollten uns wieder auf einen Drink im Plaza zusammensetzen. In einem schwachen Moment sagte ich zu, obwohl ich eigentlich beschlossen hatte, meine Treffen mit Archie auf das Squashspiel zu beschränken. Ich kam zu spät zu der Verabredung mit ihm und Phoebe im Oak Room und sah sofort, daß sie schon fast am Ende einer Runde Martinis waren. Archie nahm meine Entschuldigung mit gutmütigem Brummen an und winkte dem Kellner, meine Bestellung aufzunehmen und neue Martinis für Phoebe und ihn zu bringen. Sie wehrte ab, sie werde gleich gehen. Weißt du, noch so einen Abend halte ich nicht aus, sagte sie. Außerdem habe ich schreckliche Kopfschmerzen. Mit einer resignierten Geste nahm sie ihre Brille ab. Ich sah, daß sie Tränen in den Augen hatte.
Mach mir doch nicht ausgerechnet heute Vorwürfe, erwiderte Archie, du
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