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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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wegen einer blödsinnigen Phase in ihrem Leben, da seien zu viele Dinge auf einmal passiert – man kann sich denken, was für Dinge das waren –, und sicher sei nur eins gewesen, daß es aus war zwischen ihr und Etienne. Der Blödsinn hing hauptsächlich mit ihm zusammen, mit ihm und seinen Freunden und dem wilden Leben in New Yorker Hotels und in Europa, wie in einem Roman von F. Scott Fitzgerald. Ob wir nicht jetzt wieder so sein könnten wie vorher? Sie hielt mir ihr Gesicht zum Küssen entgegen. Ich kam mir vor wie in Trance. Dann erklärte sie mir, daß sie damit meinte: wir würden wieder die zärtlichsten und engsten Freunde sein; vielleicht würde sie sogar mit mir schlafen, jedoch nicht an diesem Abend, aber ich müsse sie so sehen, wie sie sei, nämlich vorläufig nicht treu und nicht bereit, so zu tun, als wären wir verheiratet, wenn wir es nicht waren. Ich sagte ja. Kannst du dir ein Nein von mir vorstellen? Sie ist jetzt Assistentin des Kurators im Met. In der Abteilung für Zeichnungen, die ihr Vater mit großen Spenden unterstützt, und sie hat ein kleines Apartment in der Nachbarschaft ihrer Eltern. Hab ich dir das schon erzählt? Ich weiß, was ich dir erzählt habe – ich glaube, als wir uns zum erstenmal sahen –: daß Margot mein Langzeitprojekt werden würde. Jetzt ist sie es!
    Das Apartment war winzig; sie sagte, solche Wohnungen könne man in bestimmten Gebäuden an der Park und der Fifth Avenue finden, entworfen für Witwen, alte Jungfern und eingefleischte Junggesellen, so daß sie zu einem absurden Preis in vier winzigen Zimmern wohnen und in den Genuß all der Dienstleistungen und Sicherheitsvorkehrungenkommen konnte, die Leute wie ihre Eltern für angemessen hielten. Im Wohnzimmer standen zwei Sofas einander gegenüber. Sie brachte uns Whiskey und Soda und setzte sich dann mit Henry auf das eine davon, vor dem ein schmaler langer Couchtisch aufgebaut war. Ich saß ihnen gegenüber auf dem anderen. Das mußte ich Henry lassen: Sie war hinreißend und sah anders aus als bei ihrem ersten Auftritt im Yard, und sie hatte sich weiter verändert, seit ich sie zuletzt bei einer Party oder in der Stadt gesehen hatte. Ihre Haare waren länger, so daß ihr Gesicht weicher wirkte, der Lippenstift war dezent, sie trug ein Kleid, das gerader und kürzer und weniger streng geschnitten war als das, was ich mir unter dem New Look vorstellte. Ihre unglaublich langen Beine steckten in schimmernden weißen Strümpfen. Sie lehnte sich zurück und sagte, sie freue sich, mich zu sehen. Wir redeten über ihre Pläne, über das Sarah Lawrence und das Metropolitan Museum. Nach dem Sommer wollte sie in Europa studieren, am Courtauld oder an der École du Louvre oder an beiden Instituten. Sie würde in New York sein, wenn Henry sich während seiner Ferien um den Nachlaß seines Vaters kümmerte. Sie würde versuchen, ihn an den Wochenenden aus der Stadt herauszulotsen. Die Eltern wollten vielleicht ein Haus in East Hampton mieten, statt wie üblich zum Cap Ferrat zu fahren. Das hänge davon ab, ob ihr Vater es schaffen würde, in den Maidstone Club aufgenommen zu werden. Bei diesen Worten mußte sie lachen. Es ist absurd, sagte sie, weder er noch meine Mutter spielen Tennis oder Golf, aber er wäre unglücklich, wenn er nicht zum Hörer greifen und einen Platz reservieren könnte.
    Ich sagte, manche Leute, die in den Berkshires Ferien machten, hätten offenbar die gleiche Einstellung zu unserem Club, der nichts Besonderes war, und fragte dann, warum der Maidstone ein Problem für ihre Eltern sei.
    Sie lachte wieder und sagte, Juden und Neger sind dortnicht willkommen. Auch irische Katholiken nicht und Italiener nur, wenn sie einen Adelstitel haben, den die Aufnahmekommission für echt hält.
    Und deine Eltern? fragte ich, weil ich – vielleicht unnötig besorgt – meinte, ich dürfe nicht verraten, daß Henry geplaudert hatte.
    Weißt du nicht, daß sie Juden sind? fragte sie zurück. Meine Mutter auch, obwohl es ein Riesengeheimnis ist und obwohl sie wütend wäre, wenn sie wüßte, daß ich es dir erzählt habe. Mein Vater ist anders. Er verheimlicht nicht, daß er Jude ist; er geht nur nicht damit hausieren.
    Ich hatte ausgetrunken, und Henry bot mir Nachschub an. Es war sehr spät geworden. Ich verabschiedete mich mit den Worten, ich hätte mich sehr über den Abend mit Henry gefreut und vielleicht noch mehr, sie beide zusammen zu sehen.
    Sie sagte, sie habe mir schon lange für alles danken wollen, was

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