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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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weißt, mir geht viel durch den Kopf. Dieser Abend wird anders. Bleib doch, dann bleibt Sam auch und paßt auf, daß ich mich benehme. Stimmt’s? Er drückte mir den Arm und tätschelte ihn dann.
    Ich nickte, schließlich hatte meine Verspätung ihm den Vorsprung beim Gin verschafft, und deshalb fühlte ich mich mitverantwortlich für diese Mißstimmung. Mein Whiskey Soda kam, und ich trank ihn langsam. Das erwies sich als Fehler, denn dadurch gewann Archie Zeit, noch zwei Martinis zu trinken, bevor wir in ein Lokal an der Ecke Lexington Avenue und 60 th weiterzogen, nur ein paar Querstraßen entfernt. Ich hatte vorgeschlagen, dort hinzugehen, weil ich mir die Taxifahrt zu dem von Archie favorisierten Mafiarestaurant an der East 114 th ersparen wollte, und auch das war ein Fehler, weil wir wie üblich an der Bar warten mußten, bevor der Wirt uns einen Tisch zuwies, und weilman in diesem Lokal nicht mit leeren Händen wartete. Also tranken wir alle drei etwas. Ich sah mit Erleichterung, daß der Alkohol offenbar keine Wirkung auf Archie hatte. Sein Gesicht war rot; das war alles. Vielleicht hatte die kalte Luft auf unserem kurzen Spaziergang ihm denselben Dienst erwiesen wie ein Zug aus seiner Sauerstoffflasche. Erst als der Kellner endlich das Hauptgericht servierte, bemerkte ich die Veränderung. Archie redete umständlich daher, wiederholte sich, ließ sich nicht von Phoebe unterbrechen. Zunächst erzählte er uns, daß er laut Beschluß der Effektenbank, bei der er angestellt war, mindestens die Hälfte seiner Arbeitszeit in Mexiko, Salvador und Venezuela zubringen werde, also an den Orten, wo er die meisten Kontakte habe. Er würde auch Mandanten in Argentinien und Peru anwerben müssen. Peru, sagte Archie, sei ein Kinderspiel. Er habe einen perfekten Anknüpfungspunkt: einer seiner Rugbykameraden sei dort, dessen spanische Mutter besitze große Ländereien und ein Haus in Lima. Argentinien sei kompliziert. Dorthin müsse Phoebe ihn unbedingt begleiten, Job hin oder her, und ihren jetzigen würde sie sowieso aufgeben müssen, weil er für eine Mrs. Archibald Palmer III . zu zeitaufwendig sei. Ihr blieb keine Zeit zum Antworten, und vielleicht hätte sie ohnehin nichts gesagt, denn Archie stand plötzlich auf, murmelte etwas und steuerte auf die Toilette zu. Er schwankte wie auf einem schlingernden Schiff.
    Als er wieder da war, sahen Phoebe und ich schweigend zu, wie er in seinem Essen stocherte. Archie war auch unter günstigen Umständen ein irritierend langsamer Esser. Nach seiner Blässe zu urteilen, hatte er sich übergeben, und jetzt war er offenbar entschlossen, alles, was er an Essen und Trinken verloren hatte, wieder zu ersetzen. Trotz Phoebes Protest bestellte er eine zweite Flasche Wein, gab dem Kellner einen Wink, unsere Gläser zu füllen, leerte seines und spulte übergangslos eine ganze Serie von Anekdoten ab, diemit den Sitzungen im Zulassungsausschuß seines feinsten Clubs zu tun hatten. Er war kürzlich in den Ausschuß eingetreten, und Thema seiner Geschichten waren die verschiedenen Tricks, die Ausschußmitglieder anwendeten – sie lasen zwischen den Zeilen der Empfehlungsschreiben und horchten ihre Bekannten aus –, um die dunklen Geheimnisse des Kandidaten aufzuspüren, von denen dieser und manchmal sogar sein Sponsor oder Mentor gehofft hatte, sie würden unentdeckt bleiben. Typisch war, daß der Kandidat jüdische Verwandte verleugnete, obwohl all sein Geld aus dem Vermögen der jüdischen Familie stammte. Fast gleichlautende Geschichten erzählte er über irische Katholiken, und eine Anekdote handelte von einem Italiener, der angeblich aus einer Familie toskanischer Landedelleute kam, während in Wahrheit seine Mutter, sein Vater und seine Cousins allesamt in New Jersey wohnten und wohlhabende Schrotthändler waren. Während Archie immer weiterschwafelte, kam der Kellner und fragte nach unseren Dessert-Wünschen. Ich nutzte die Unterbrechung und sagte, ich müsse nach Hause gehen, um vor dem Schlafen noch etwas zu arbeiten.
    Im Frühsommer ging ich nach Paris. Dort rief mich eines Tages Phoebe an. Sie war auch in der Stadt und arbeitete als Reporterin für das Pariser Büro der Time. Wir gingen zusammen essen, und dabei bestätigte sie, was ich mir schon zusammengereimt hatte: ihre Trennung von Archie.
    Sie war verbittert und gekränkt. Sie empfand das Trinken als eine gegen sie gerichtete Aggression. Archie signalisiere damit, daß er nicht mit ihr verheiratet sein wolle. Sie wisse,

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