Ehrensachen
heirate!
Ich gratulierte mit den üblichen Worten und dachte dabei, wie schwer dies Henry getroffen haben mußte.
Dann erzählte sie übersprudelnd, daß der Zukünftige ein in Paris lebender Franzose war, so daß London vielleicht nicht mehr zur Diskussion stand. Jean du Roc sei es, ein Romancier, ungefähr fünfzehn Jahre älter als sie.
Sie war sichtlich erleichtert, als ich ihr versicherte, daß mir sein Name und sein Ansehen bekannt waren und daß ich einen seiner Romane – wahrscheinlich den zweiten – mit großem Interesse gelesen hatte.
Ich bin so froh, rief sie. Hat er dir gefallen?
Sehr unterhaltsam, sagte ich ihr. In Wahrheit erinnerte ich mich an mein Erstaunen, daß diese Geschichte über einen jungen, in eine verheiratete Gräfin und schnelle Autos verliebten Mann, die eine Gemeinschaftsarbeit Louise de Vilmorins und Françoise Sagans hätte sein können, aus der Feder eines männlichen Autors stammte.
Margot erzählte weiter, daß du Roc eigentlich Lebon hieß, daß seine Eltern in Chatelleraut wohnten, wo sein Vater eine Apotheke besaß, daß Jean zuerst ein Politologiestudium angefangen, dann aus Langeweile beschlossen hatte, sich als Journalist zu versuchen und auf einmal einen Roman geschrieben hatte. Wie es dazu kommen kann, weiß niemand besser als du, sagte sie.
Ich nickte und fragte nach den Heiratsplänen.
Es gibt eine Komplikation, sagte sie. Jean ist verheiratet, und wir warten auf die Scheidung. Die Frau verschleppt die Sache. Entweder aus Bosheit oder weil sie sich weigert, der Realität ins Auge zu sehen, oder aus beiden Gründen. Meine Eltern wissen übrigens nichts von Jean und unseren Plänen; sie haben ihn noch gar nicht gesehen. Der Altersunterschied wird ein Problem sein und das Geld natürlich. Er besitzt keinen Cent. Es ist seine zweite Scheidung. Er wird der Frau etwas zahlen müssen, und er kommt schon für den Unterhalt seiner ersten Frau und des Kindes auf. Mommy wird ihn mögen, glaube ich, weil er so höflich ist. Im August sind sie in Cap Ferrat. Dann will ich sie mit der Nachricht überfallen.
Und Henry?
Ich habe es ihm vorige Woche gesagt.
Das muß schwer gewesen sein für dich und schwer für ihn.
Tränen traten ihr in die Augen. Dann faßte sie sich wieder und sagte, so schlimm auch wieder nicht. Henry habe sich wirklich Mühe gegeben, nett zu sein.
War ich völlig gefühllos? Mußte ich mich unbedingt einmischen? Als ob sich nie ein günstigerer Moment ergeben würde, fragte ich sie direkt und geradeheraus: warum Jean du Roc und nicht Henry White, der sie seit siebzehn Jahren liebe, der ungebunden sei und nie geheiratet habe. Eine sehr sonderbare Geschichte sei das.
Stimmt, sagte sie, aber ist dir klar, daß er mich nie gefragt hat?
Das nicht, antwortete ich, aber sie wisse so gut wie ich, daß es nur ein Detail sei. Wenn er sie nicht gefragt habe, dann nur aus einem Grund: weil er sicher war, daß sie nein sagen würde, und weil er das Wenige, das er hatte, nicht auch noch verlieren wollte.
Sie schlug die Augen nieder und flüsterte, sogar ihr Vater wünsche sich, daß sie Henry heirate. Er habe sogar angeboten, ihm die Ehe mit ihr anzutragen.
Ich sagte, sie habe meine Frage noch nicht beantwortet.
Es ist etwas sehr Persönliches, erwiderte sie. Du weißt, daß ich mit ihm schlafe.
Ich nickte.
Von Zeit zu Zeit jedenfalls, korrigierte sie sich; ich weiß nie genau, ob es passieren wird. Und wir hatten beide auch andere, er wie ich, das kannst du dir sicher denken.
Ich sagte ihr, ich wisse, daß er sie liebe und daß die Form ihrer Beziehung wechsle. Darüber hinaus wisse ich nichts.
Sie griff nach meiner Hand und sagte: Du redest Unsinn. Ich weiß, daß er dir mindestens alles Wichtige von uns erzählt. Du weißt, es ist nur Talmi, bei uns beiden. Das spielt keine Rolle mehr. Jean ist dominant, und Henry ist es nicht und wird es nie sein. Er hat sich gleich am Anfang vor mir auf Hände und Knie niedergelassen und nie wieder aufstehen können. Etienne – erinnerst du dich an ihn? – konnte mich beherrschen, mich auf Hände und Knie zwingen, bis ich kroch. Daß ich ihn gehen ließ, war ein schrecklicher Fehler.
Was ist aus ihm geworden? fragte ich.
Das, was zu erwarten war. Seit sein Vater sich zurückgezogen hat, leitet er das Familienunternehmen, ist mit einer blonden Französin aus bester Familie verheiratet, und heute oder morgen wird der König ihn zum Baron machen, so daß er nicht auf den Titel warten muß, bis sein Vater stirbt und er
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