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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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feines Ohr für Stil und Diktion hatte, mag ihm peinlich gewesen sein, daß und wie sie diese Erklärung abgab, die Henry, wie er mir später erzählte, unheimlich sexy fand. Es dauerte jedoch nicht lange, bis Jeanies Verfügbarkeit – es machte ihr nichts aus, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Harvard Square zu kommen, und sie bestand,auch wenn es spät geworden war, nicht darauf, daß Archie sie zur Beacon Street brachte – über die kultivierte Eleganz und Liebenswürdigkeit der Salvadorianerin gesiegt hatte. Archie kam auf die Idee, Clara nur noch dann anzurufen, wenn er wußte, daß sie nicht zu Hause war, zum Beispiel, weil sie eine Seminarübung hatte. Dann hinterließ er eine Nachricht, daß er angerufen habe. Nicht mehr. Dann rief er sie gar nicht mehr an. Diese Taktik verwirrte Clara. Sie nahm Telefonnachrichten ernst, meinte, sie müßten beantwortet werden, und begann, bei uns anzurufen, um zu fragen, was los sei. Archie nahm nie den Hörer ab, sein Instinkt, Anrufe zu ignorieren, die er nicht annehmen wollte, war fast unfehlbar.
    Meistens sprach Clara am Telefon mit mir. Irgendwann nach Weihnachten lud sie mich zu einem Tanzabend im Wellesley ein. Sie sagte mir, sie sei es gewohnt, behutsam behandelt zu werden, und ich sei behutsam. Um vorzugreifen: Im Frühling desselben Jahres wurde Archie Besitzer eines viertürigen schwarzen Nash, dessen wichtigster Vorzug die Vordersitze waren, die man zurückklappen konnte, so daß ein halbwegs bequemes Bett entstand. Diesen Nash lieh ich mir für die Verabredung mit Clara zum Wellesley-Ball. Als wir das Fest verließen, flüsterte sie mir zu, sie müsse sich nicht, wie die Regel auch bei diesem wichtigen Anlaß vorschrieb, bis Mitternacht im Wohnheim zurückmelden. Sie habe der Hausmutter erzählt, sie werde über Nacht bei einer Freundin in Newton bleiben, und auch den zur Bestätigung erforderlichen Brief von den Eltern der Freundin vorgezeigt. Wir haben soviel Zeit, wie du möchtest. Dann steckte sie mir ihre Zunge ins Ohr. Wir fuhren zum See und parkten, und ich klappte die Vordersitze zurück. Kurz danach wickelte sie sich aus ihrem langen trägerlosen rosa Taftkleid, mit der Erklärung, es würde sonst ruiniert. Im Morgengrauen besiegte sie meine Panik und verhalf uns zueinem Imitat gemeinsamer Erfüllung. Ohne daß ihr Hymen beschädigt wurde, wie sie mir versicherte. Im Sommer heiratete sie den ältesten Sohn eines Kaffeeplantagenbesitzers, dessen Besitz an den ihrer Eltern angrenzte. Über die Universitätsverwaltung erfuhr sie meine Heimatadresse und schickte mir eine Einladung zur Hochzeitsmesse. Natürlich kam sie nicht nach Wellesley zurück, und mir blieben weiterführende Beziehungen mit ihr erspart.
    Archies Verwandlung machte nicht bei seiner Kleidung halt. Er wollte seiner römischen Zahl gemäß leben, mit allem, was sie einem Kenner der vornehmen amerikanischen Gesellschaft signalisierte. Mrs. White war auf der richtigen Spur gewesen, als sie annahm, daß ein junger Mann namens Archibald P. Palmer III . wahrscheinlich reiche Eltern habe; sie und Henry verstanden die Sage vom alten amerikanischen Geld intuitiv richtig. Hätte Mrs. White von den Überweisungen erfahren, die Archie bekam – unregelmäßig, aber manchmal in Gestalt großer Summen –, so hätte sie sich in ihrer Meinung bestätigt gefühlt. Aber sie irrte sich; das Geld war nicht alt, und es stammte nicht aus einem Familienvermögen. Vielmehr floß es laut Archie aus verschiedenen glanzlosen kleinen Handelsgeschäften seiner Mutter, die neuerdings mit dem Import und Weiterverkauf von naiver Kunst und Antiquitäten Geld verdiente. Archie war auch nicht nachweislich verwandt mit den berühmten reichen Palmers in Chicago. Sein Mittelname lautete ganz bescheiden: Peters. Allerdings gefiel ihm der durch die römische Zahl noch verstärkte Eindruck, den sein Nachname machte, so daß er nichts unternahm, ihn zu korrigieren. In dieser Hinsicht folgte er einem Verhaltensmuster, das analog zu Henrys Umgang mit der jüdischen Herkunft war. Wurde er zum Beispiel gefragt: Ist Mrs. Potter Palmer deine Tante oder deine Cousine? lachte Archie nur und sagte: wedernoch. Das schadete weiter nichts. Leute, die solche Dinge wichtig fanden, selbst Kollegiaten, wußten zu gut Bescheid, als daß sie selbstverständlich angenommen hätten, jeder Mann namens Morgan sei mit dem Bankhaus verbunden oder alle Rockefellers gehörten zur selben Familie. Dagegen gab Archie sich alle Mühe, den Kollegiaten,

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