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Ehrensachen

Ehrensachen

Titel: Ehrensachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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anderen, anspruchsvolleren Elementen seiner Umwandlung zu stehen. Vielleicht ergänzten die einen die anderen besser, als ich begriff.
    Kurz vor den Weihnachtsferien kündigte Henry mir an, er werde Altphilologie als Hauptfach wählen. Seinen Eltern teilte er die Neuigkeit gleich beim Nachhausekommenmit. Der wochenlange Streit, der darauf folgte, wunderte ihn nicht. Sie wollten, daß er fest in der amerikanischen Mittelklasse Fuß faßte. Als Arzt wäre er auf der sicheren Seite, aber sie hätten sich auch mit den Rechtswissenschaften zufriedengegeben, wenn er schon ein Medizinstudium rigoros ablehnte und auch nicht bereit war, wenigstens pro forma die Kurse in Biologie und Chemie zu belegen, die eine dafür notwendige Vorbedingung waren. Seine verrückte Idee, alle seine Vorteile samt Vollstipendium am College einfach wegzuwerfen – wofür? für zwei tote Sprachen und eine eingeengte Zukunft mit dem mageren Gehalt, das er als Lehrer zu erwarten hatte – vorausgesetzt, daß ein Jude an irgendeiner Universität einen Job als Dozent für Altphilologie ergattern könne –, das sei ein schlechter Scherz, eine Beleidigung für sie. Er trete alle Anstrengungen seiner Eltern mit Füßen. Ich muß zugeben, daß mich seine Entscheidung auch überrascht hatte. Er erwartete, sich unter allen Umständen auszuzeichnen, soviel war klar, aber wenn er an seiner Entscheidung festhielt, würde er gegen Kollegiaten antreten müssen, die ihr Latein und oft auch ihr Griechisch in Internaten mit humanistischem Zweig gelernt hatten. Diese Studenten hatten genauso guten Unterricht und oft dieselben Lehrer gehabt wie die Mitglieder des altphilologischen Seminars von Harvard. Ich dachte, Henry habe sehr schlechte Chancen. Mach dir keine Sorgen, erklärte er mir, mein Latein ist ganz gut. Ich fragte, ob er es an der Highschool in Brooklyn gelernt habe. Nein, überhaupt nicht, sagte er, da mußte ich Englisch lernen. Aber wo hast du es dann gelernt? fragte ich. In Krakau, erwiderte er ungeduldig, in Krakau. Ich schüttelte den Kopf und warnte ihn, er wisse nicht, worauf er sich einlasse. Er hielt mir entgegen, um den Anschluß zu finden, müsse er nur Vokabeln lernen. Außerdem könne er gut Deutsch, und das sei für Altphilologen noch immer nützlich. Im Lauf desselben Gesprächs erwähnte er, er habe beobachtet, wie die vornehmeren Latinos ganz selbstverständlich vom Englischen ins Französische statt ins Spanische wechselten, wenn sie sich miteinander unterhielten. Französisch zu lernen sei offenkundig auch eine sichere Investition. Im Frühjahrssemester wurde ein anspruchsvoller Intensivkurs für Französisch angeboten; Henry schrieb sich ein.
    Ein Aspekt des Krachs mit seinen Eltern bedrückte Henry; er glaubte, er sei unfair gewesen. Sie dachten, seine Entscheidung für das Hauptfach Altphilologie schließe ein Studium an der Law School aus, und er hatte nichts getan, diese Ansicht zu korrigieren. Er wartete bis zum Tag vor seiner Abreise und erklärte ihnen erst dann, wie das System funktionierte. Ich hab es ihnen heimgezahlt, sagte er. Warum konnten sie mich nicht in Ruhe lassen oder mir ausnahmsweise sagen, ich müsse selbst entscheiden? Das wäre mal was anderes gewesen! Als Gegenleistung für seine Erklärung in letzter Minute und für sein Versprechen, nicht alle Brücken hinter sich abzubrechen und die Entscheidung für oder gegen die Law School noch offenzulassen, mußten sie ihm erlauben, den Sommer über in Grenoble Französisch zu lernen. Er hatte viel Gutes über das Lernprogramm Französisch für Ausländer an der Universität gehört.
    Damit und in vielen anderen Dingen war er mir voraus. Ich hatte noch nicht einmal angefangen, Pläne für den Sommer zu machen.

V
    Henry dachte nicht daran, sich mit den Mädchen zu verabreden, die er auf den Partys von Archies Freunden traf, obwohl er gut mit ihnen auskam. Wenn der Raum gestopft voll mit aufgedrehten Studenten war, zog er sich mit einem Mädchen in eine Ecke zurück, um sich, wie er es nannte, in Ruhe zu unterhalten. Im Zweiergespräch konnte er brillant sein, und er hörte sich aufmerksam an, was ihm erzählt wurde, oder erweckte jedenfalls den Eindruck. In Gruppen, besonders in Männergruppen, war er nicht so überzeugend. Ein Grund dafür war seine Schüchternheit – die kompensierte er mit Anwandlungen, die ich sein Penthesilea-begegnet-Peleus’-Sohn-Theater nannte –, und daß er keine Ahnung vom Sport hatte, war der zweite. Er war nie bei einem Baseballspiel

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